30.6.10

Geht's noch?

Stellen wir uns mal ganz dumm.
Nehmen wir mal an, wir wären die Elite des Politikjournalismus.
Stopp, nur einmal, ganz kurz, des Spaßes wegen. OK. Also.
Nehmen wir weiter an, es stünde ein politisches Großereignis bevor. Vielleicht eine Bundespräsidentenwahl, um irgendein abwegiges Szenario zu stricken.
Nehmen wir außerdem an, es hätte etwas vergleichbares schon mal so etwa ein Jahr vorher gegeben und da sei es - okok - durch ein Missverständnis oder so vorgekommen, dass einer aus der Bundesversammlung das Wahlergebnis vorzeitig über Twitter vermeldet hätte.

Was würden wir tun?

Wahrscheinlich, denn wir sind Elitejournalisten, würden wir es machen wie die FAZ:
(screenshot durch @hhebig)

Oder?

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: "Nach unbestätigten Gerüchten im Internet" Geile Quellenlage, my ass. FAZ!

Merken die noch was?

Oder die Superbloggerin Franziskript in der Rheinischen Post: "Twitter verbreitet Falschmeldungen"

Hä? Und "das Internet" ist eine Quelle oder wie?

Mal ehrlich, FAZ: Ich bin ja nun wirklich kein Journalist mehr und hab auch nur Boulevard gemacht damals in den 90ern. Aber selbst ich wäre in der Lage, ein gutes halbes Dutzend Mitglieder der Bundesversammlung zu benennen, die twittern und vertrauenswürdig sind. Selbst ich wüsste, dass es heute wahrscheinlich 729 Spaßvögel auf Twitter geben wird, die so tun, als hätten sie Ahnung und irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen.

Und dann kommen sie wieder, die sinn- und merkbefreiten Schlagzeilen a la RP: Twitter ist Schuld. Oder das pöse Interdings. Aber bestimmt nicht schlampig arbeitende Elitejournalisten, die Humor nicht von Journalismus unterscheiden können. Ich bin so was von wütend auf euch!

Liebe FAZ-Redaktion, ihr könnt es wieder gut machen und zurück in den Journalismus kehren: Schreibt doch mal auf, wie das passiert ist, warum, wie der Druck auf das arme Würstchen so war, das diese Fehlleistung dann rausgepustet hat, warum ihr es dann schnell wieder offline nehmt und so. DAS wäre doch wirklich ein Stück Journalismus, das sich morgen, wenn sich alle wieder beruhigt haben, in der Bahn oder im Flieger oder auf dem Klo (auf jeden Fall auf Papier) zu lesen lohnt.

Naja, wir schreiben hier ja im Irrealis. Oder Irrsinnalis oder so.

Update:
Auch der Bild ist nichts blöd genug, um nicht ein Skandälchen draus zu inszenieren, das online schon lange aufgelöst war - der Twitterdings in Frage ist ein Fake. Ach nee. Kommt mal runter, menno.

Update 2:
*Seufz* Ach, FAZ. Und wieder eine Chance verpasst. Und *plonk*

2 Kommentare:

  1. Nunja, "das Internet" als Quelle, das kann man schon machen. Das kommt dann eben in etwa so, als ob man schreibt "Medienberichten zufolge ..." oder "Wie die örtlichen Zeitungen heute titeln ..." Schön ist das nicht, journalistisch korrekt auch nicht. Aber was will man machen?

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  2. Nein, kann man nicht - auch "Medienberichten zufolge" kann man nicht machen, wenn man nicht die Quelle benennt. Schon "gut unterrichtete Kreise" ist unseriös und nur vertretbar, wenn man eine konkrete Quelle hat. Aber "unbestätigten (sic!!) Gerüchten im Internet" ist höchstens so wie "hab ich in der U-Bahn gehört, weiß aber nicht vom wem". Qualitätsjournalismus my ass.

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