21.8.09

Verrohung der Sitten

Ich werde in meinen Seminaren oft gefragt, warum ich so viel ins Internet reinschreibe, warum andere Menschen und ich so relativ viel von uns preisgeben. Nun finde ich gar nicht, dass ich sooo viel von mir preisgebe, aber das ist ja Geschmackssache. Nicht mehr Geschmackssache ist es, wenn Medien und Arbeitgeber detektivisch vorgehen, um sich über Menschen zu informieren, die ihnen diese Infos nicht freiwillig gegeben haben.

Hier sind - da hat Christian Stöcker auf SpOn Recht gehabt - die Spielregeln unserer Gesellschaft noch nicht fertig ausgehandelt. Ich bin mir nicht zu 100% sicher, wie ich diese Regeln gerne hätte, aber das, was eine Umfrage für die Bundesregierung herausgefunden haben soll, finde ich bedenklich und bezeichne ich als "Verrohung der Sitten". In der Berliner Zeitung lese ich:
Die Arbeitgeber in Deutschland greifen bei ihrer Personalauswahl immer häufiger auf persönliche Daten von Bewerbern aus dem Internet zurück. Dabei werden die Stellensuchenden zum Teil systematisch auf ihre Hobbys, Interessen, Meinungsäußerungen oder auch private Vorlieben hin getestet. Viele von ihnen werden wegen dieser oft arglos ins Internet gestellten Angaben später nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. (Berliner Zeitung, Tipp von @50hz)
Was ich fast noch interessanter finde als die Umfrageergebnisse, ist die Reaktion der Verbraucher(schutz)ministerin:
Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), deren Haus die Studie in Auftrag gegeben hatte, warnte die Bürger vor einem allzu freizügigen Umgang mit persönlichen Informationen im Internet. „Die unbekümmerte Preisgabe persönlicher Daten im Netz kann zum Stolperstein für die berufliche Karriere werden“, sagte Aigner dieser Zeitung. (Berliner Zeitung)
Nennt mich naiv - aber für mich wird eher andersherum ein Schuh draus: Ich möchte nicht bei einem Unternehmen arbeiten, das mich nicht zu einem Gespräch einlädt, weil ich meine Meinung online äußere oder weil ich Bilder meine Kinder irgendwo poste oder sich Bilder von mir auf Partys finden lassen. Ich wäre mir ziemlich sicher, dass ein solches Unternehmen und ich nicht zusammen passen.

Mittelfristig werden sich Unternehmen, die so handeln, wie es die Umfrage für einen Teil (immerhin nur eine Minderheit) beschreibt, ganz sicher Probleme haben, gute und engagierte Mitarbeiter zu finden. Denn Bewerber, die ängstlich auf dieses Thema starren ("Karrierefalle") wie das Kaninchen auf die Schlange, werde ich in vielen Bereichen nicht wirklich brauchen.

2 Kommentare:

  1. Solche Unternehmen wollen weder gute noch engagierte Mitarbeiter. Sie sollen eine hohe Peakintelligenz haben (also zu einem gegebenen Zeitpunkt - Prüfung- viele Daten absorbiert haben) und extremen Gehorsam zeigen. Für das Denken sind ja immerhin schon Leute da im Unternehmen, denn richtige Vorgesetzte werden ja nur über headhunter gesucht und nicht über "Bewerbungsverfahren".

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  2. Anonym22.8.09

    Das Netz wirkt in alle Richtungen: Jedes Unternehmen, das mich als Mitarbeiter gewinnen will, steht genauso auf dem Prüfstein. Und das finde ich ganz normal. Beide Partner müssen zueinander passen.

    Ein Unternehmen, das mich nicht will, weil ich meine Meinung äußere, passt mit Sicherheit nicht zu mir. Bei einem Unternehmen, das mich will, weil ich bestimmte Meinunngen äußere und wie ich meine Meinungen äußere, ist die Wahrscheinlichkeit schon recht hoch, dass wir zueinander passen :-)

    Dabei weiß ich, dass es immer Ausrutscher geben kann und dass sich Menschen und Unternehmen (durch die Menschen im Unternehmen) ändern können: Das Gesamtbild muss stimmen.

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