Das, was mich an den Spitzköpfen in der Debatte um die Hamburger Schulreform wirklich stört, ist, dass da nicht betroffene vor etwas Angst haben, das irreal ist. Oder so ähnlich. Glücklicherweise nicht so viele wie auf manchen Zeitungsbildern zu vermuten war, die gestern durch die Stadt geisterten, wie das Foto von Robert Schneider zeigt, der - anders als ich - vor Ort war, als über und über mit gelben FDP-Luftballons ausgestattete Akademiker aus den Speckgürteln (also so Leute wie ich) den Aufstand probten gegen die Weltuntergang.
Als Vater von vier Kindern, die die unterschiedlichsten Schul- und Bildungsformen in dieser Stadt besuchen, stört mich am meisten, wie faktenbefreit und angstbesetzt da teilweise argumentiert wird. Dabei ist die Vision, dass Kinder länger gemeinsam lernen - und darum geht es im Kern - eine, die niemandem Angst machen sollte. Den Schwächeren hilft das, den Stärkeren auch, für die Mittleren ändert sich wenig.
Ja, auch ich ärgere mich darüber, dass Latein den Bach runter geht - aber das ist beispielsweise an dem Gymnasium, auf das Primus geht, ohnehin schon so. Als zweite Fremdsprache ist es abgeschafft, als dritte kommt es nicht zustande. Toll - aber hat nichts mit der Schulreform zu tun.
Ich freue mich auf die Reform, denn sie wird die Schulen zwingen, sich zu ändern. Vielleicht ist es ja das, wovor diejenigen Angst haben, deren Kinder entweder zu den Gewinnern der aktuellen Situation gehören oder die sich daneben setzen können, wenn die Kinder an den Aufgaben verzweifeln und die rechte Hand im Kollegium nicht weiß, was die linke tut.
Zum ersten Mal seit Jahren wird eine Reform nicht nur gemacht, um Geld zu sparen oder einem vermeintlichen Trend zu gehorchen (wie die gescheiterte Verkürzung auf das Abitur nach 12 Jahren). Zum ersten Mal wird richtig Geld in die Schulen gepumpt und ebenso richtig in Fortbildung und Ausbildung investiert.
Wenn ich mir angucke, wie meine Süße arbeitet an einer Stadtteilschule mit besonderem Förderprofil - und das vergleiche mit dem, was ich an Gymnasien erlebe und was ich als Vision in den Papieren der Schulbehörde lese - wenn ich das mache, werde ich froh. Denn die Arbeit mit Kompetenzrastern und in Jahrgangsteams, um nur mal zwei Punkte zu nennen, ist ja nicht neu, sondern nur neu für die Schulen, die sich nicht geändert haben.
Lasst die nciht betroffenen, deren Kinder gar nicht in den Genuss der Reform gekommen sind, ruhig krakelen. Ihre Kinder waren bei der Demo eh nur Staffage und bald schon anders beschäftigt. Und das ist gut so.
* so beginnt das großartige Gedicht von Jakob van Hoddis: "Weltende", geschrieben 1911, sehr hellsichtig.
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