19.1.14

Hamburger gegen Gewalt

oder: Wie eine unheilige Allianz aus Hamburger Abendblatt und SPD-Innenpolitikern eine gute, bürgerschaftliche, hanseatische Idee zu einem Propagandainstrument umfunktioniert hat.
Es gab einen Zeitpunkt in den letzten Wochen, da hatte ich Hoffnung. Die Hoffnung, dass es gelingen könnte, alle diejenigen zusammenzubringen, denen Zusammenhalt und Liberalität in dieser Stadt wichtig sind. Zwar wurde dieser Zeitpunkt ironischerweise aus einer Lüge geboren, aber so ist das ja oft im Leben.

Unmittelbar nach der Lüge der Polizeipressestelle rund um Krawalle und einen angeblichen Angriff auf die Davidwache, das Symbol der "guten Polizei" in Hamburg (und das bis weit in polizeikritische und linksradikale Kreise hinein), gab es zwei Bewegungen:

  • Die eine, maßgeblich getrieben vom Hamburger Abendblatt und den SPD-Politikern Dressel (Fraktionsvorsitz) und Neumann (Senator), nahm die Vorlage auf, indem die Solidarität mit der Polizei einforderte und versuchte, alle Stimmen, die sich kritische zur taktischen und politischen Führung der Polizei äußerten, zu kriminalisieren. 
  • Und die andere, die den Schock bis in eben diese Gruppen mit eben diesen Stimmen nutzte, um eine Allianz zu schmieden, die sich zu Gewaltfreiheit bekennen würde - und damit sowohl den Staat als auch die Protestierenden meinte.
Die zweite Bewegung wurde von Jens Kerstan angestoßen, den Fraktionschef der Grünen. Ich bin ja nun, obwohl auch Grüner, alles andere als ein Freund und Unterstützer von Jens - aber hier hat er es genau richtig gemacht. Er bekam für seine Idee "Hamburger gegen Gewalt" sogar viel Raum im Abendblatt. Und kurz sah es so aus, als könnte seine Initiative Erfolg haben. Als könnte sich erstmals seit Dohnanyis beherztem Eingreifen 1987 (übrigens gegen seinen Innensenator Pawelczyk und seinen Fraktionschef Voscherau) im Hafenstraßenkampf wieder die liberale bürgerliche Vernunft gegen die Betonfraktion durchsetzen.

"Hamburger gegen Gewalt" hätte ein Aufschrei der Stadt gegen die Gewalt der Straße sein können. Gegen Menschen, die jedes Maß in der politischen Auseinandersetzung verloren haben, und gegen Menschen, die qua Exekutivmacht über Recht und Gesetz zu stehen glauben.

Nach etwas mehr als einem Tag ist dann das Abendblatt zurück gerudert. Und nach einigen wenigen Tagen haben die Innenpolitikerinnen der SPD-Fraktion erstmal vorsichtig und dann immer offensiver vorgefühlt, ob sich die Idee von "Hamburger gegen Gewalt" nicht doch umdeuten lässt.

Seit klar ist, dass sich SPD und Abendblatt nicht darauf einlassen werden, einen Konsens mit den liberalen Kräften der Stadt zu suchen, gehen sie wieder in die Offensive. Der Versuch von Jens Kerstan, in Gesprächen mit den anderen Fraktionen zu einem gemeinsamen Aufruf oder gar einer gemeinsamen Demonstration seine Idee noch einmal wiederzubeleben, kann als gescheitert gelten. Jede Kritik an der Führung der Polizei ist aus der Berichterstattung über "Hamburger gegen Gewalt" verschwunden. Und jede Äußerung von Dressel und Co zeigt, worum es denen geht, die "Hamburger gegen Gewalt" jetzt vorantragen: Darum, jede Kritik an der Polizei als Unterstützung von Gewalt zu brandmarken. Und abzulenken von den sozialen und Demokratieproblemen in dieser Stadt und vor allem abzulenken vom politischen und taktischen Versagen der Polizeiführung. Im Gegenteil - der Innensenator kettet sich sogar an die Polizeiführung und stellt sich hinter sie anstatt selbst Führung zu übernehmen und mit einer demokratischen Position voranzugehen.

So ist aus einer guten Idee - "Hamburger gegen Gewalt" - eine Bekennerinnenkampagne für den Polizeistaat geworden. Eine explizite und bewusste Unterstützung einer Polizeiführung, die gegen geltendes Recht und Beschlüsse von Gerichten Fakten zu schaffen versucht. Eine Unterstützung der Eskalationsstrategie, die versucht, kritische Stimmen zu kriminalisieren und als Unterstützung von Gewalt zu erklären. 

Der harmlos klingende Aufkleber "Hamburger gegen Gewalt", der dieses Wochenende dem Abendblatt beilag, ist alles andere als harmlos. Wer immer ihn nutzt und sich irgendwo hinklebt, sollte sich bewusst machen, wer hinter der Kampagne steckt, was das Ziel der Kampagne ist und wem sie nützt. Wer immer den Aufkleber nutzt, bekennt sich zum Versuch, in Hamburg Fakten auf dem Weg in den Polizeistaat zu schaffen. 

Ich will das nicht. Und ich will nicht, dass diese Stadt in jene Illiberalität abgleitet, die die Polizeiführung repräsentiert und zu der sich Neumann und Dressel bekennen. Bei aller Kritik im Detail mag ich diese Stadt und auch dieses Land zu sehr, um es ertragen zu können, wie Recht und Liberalismus immer weiter ausgehöhlt werden. "Hamburger gegen Gewalt" ist gescheitert. Zurück bleibt der Versuch, die Aushebelung politischer Prozesse durch Eskalationsstrategien der Exekutive zu einer Hegemonie zu nutzen, die jede Kritik als einen Akt der Gewalt und der Widerstandes erscheinen lässt. 

Wer den Aufkleber nutzt, bekennt sich zu dieser Politik. Naja, müsst ihr selbst wissen, in wessen Gesellschaft ihr euch begeben wollt.

2 Kommentare:

  1. Naja. Wer den Aufkleber nutzt, bekennt sich zunächst mal zu der Aussage "Hamburger gegen Gewalt". Würde es aus Deiner Sicht einen Unterschied machen, wenn jemand einen "Hamburger gegen Gewalt"-Aufkleber benutzen würde, der nicht vom Abendblatt kommt?

    Ich finde den Hintergrund, den Du hier dargelegt hast, ganz interessant, aber Deine Schlussfolgerung teile ich nicht. Aus meiner Sicht entscheidet jeder selbst, was er damit aussagen will, wenn er sich diesen Aufkleber irgendwohin pappt. Daraus ein Bekenntnis zu einer bestimmten Politik abzuleiten, halte ich für absurd.

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  2. Thomas S.20.1.14

    Eine auch für mich als Nichtlinken nachvollziehbare Kritik an der Abendblatt-Aktion. Ja, genau das stört mich auch!

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