6.7.23

Ja, selbstverständlich

Darf man das, zitiert Gabriele Fischer heute früh einen jungen Mann, dem sie auf einer Veranstaltung begegnete. Darf ich fröhlich sein, darf ich ausgelassen feiern, angesichts des Zustands der Welt und der Situation so vieler anderer Menschen, war seine Frage, wenn ich das richtig verstanden habe. Und tatsächlich ist diese Frage ja nicht neu. Ganz und gar nicht. Am Beginn meines Studiums, rund um den Jahreswechsel 1990 und auch in den Jahren danach haben das sehr viele Menschen, die ich kannte, genau so gefragt.

NoFutureHauk

Schon damals habe ich das nie wirklich verstanden. Auf einer persönlichen Ebene. Auf einer Makroebene durchaus, klar. Auch die Idee, in diese Welt keine Kinder setzen zu wollen, hat ja nicht die Generation meiner Kinder erfunden. Das haben auch viele in meiner Generation so empfunden. Und eine halbe Generation vorher sogar noch radikaler, siehe die Vorstellung von no future.

In meinem eigenen, engeren Umfeld war und ist das so nie ein Thema. Obwohl ich damals wie heute in linken, nicht nur zukunftsoptimistischen Kreisen lebte und lebe. Wir haben aber immer auch gefeiert und Zeit gemeinsam genossen. Und die meisten von uns haben oder wollen auch Kinder. Niemand von uns hält sich für die letzte Generation, die (gut) leben wird.

Als ich heute früh also diesen Einstieg in den Newsletter von Gabriele las, fragte ich mich mal wieder, woran das liegt. Sowohl, dass in jeder Generation wieder etliche denken und fühlen, dass sie die ersten sind, die am Schmerz der Welt, den sie tragen müssen, zerbrechen. Als auch, dass dieser Schmerz, den ich auch sehe und fühle, so dominant ist. Und warum es anderen, auch mir, anders damit geht.

Ob letzteres daran liegt, dass wir uns konkret – in der Politik, in Vereinen, in der Feuerwehr – einbringen und engagieren, weiß ich nicht. Aber dass ich die Frage, ob ich mich über das Zusammensein mit anderen, das Feiern, das Gutgehenlassen freuen darf, dass ich diese Frage von Menschen, die sich so einbringen, noch nie gehört habe, macht mich schon nachdenklich. Es kann logischerweise ein Henne-Ei-Thema sein, weil ich mich ja in so was nur einbringen werde, wenn ich nicht so verzweifelt bin, dass ich keine Zukunft sehe. Vielleicht sehe ich aber auch eine Zukunft, weil ich konkret an ihr arbeite. Und nicht nur an der Gegenwart. Weil diese Art, mich einzubringen, immer auch Hoffnung meint.

Ja, selbstverständlich darf ich das. Darf ich ausgelassen feiern. Darf ich essen und trinken und tanzen und ein Wochenende lang nicht über den Zustand von Welt und Gesellschaft nachdenken. Weil es mir Kraft und Hoffnung gibt. Und Zukunft.

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