30.3.23

Schulaus

Nach über zwanzig Jahren geht für uns das Thema Schule zu Ende. In dieser Woche beginnen in Schleswig-Holstein die Abiturprüfungen. Quartas in der Minute, in der ich auf den Knopf für Veröffentlichen gedrückt habe. Sieben Uhr Vierzig.

Ich erinnere mich noch gut an meine, vor allem an Musik. Da war ich so extrem ärgerlich über die Aufgabenstellung, dass ich die Arbeit im Stil einer Musikkritik des 19. Jahrhunderts schrieb. Denn ich hatte mich auf Bergs Wozzeck und auf Bartoks Streichquartette vorbereitet – und dann kam ausgerechnet fast die gleiche Aufgabe zum 5. Streichquartett dran, die wir schon in der Oberstufe hatten. Ja, ich liebe das fünfte, sehr sogar, aber wieso habe ich dann das alles gelernt?

Jedenfalls. Abitur. Heute Chemie, dann erstmal Ferien. Und dann war es das mit Schule weitgehend. Quartas Pech ist, dass sie als Jüngste die ist, mit der all diese Dinge, die uns jahrelang begleitet haben, ein letztes Mal passieren. Ihr Glück, dass wir schon Erfahrung damit haben. Es ist trotzdem aufregend.

Und dann wird Schule auf einmal aus sein. 

29.3.23

I feel you, SPD

Damals, ja, damals hab ich nur den Kopf geschüttelt und mich gefragt, wieso sie sich das immer weiter antun, diejenigen in der SPD, die mehr (inhaltliche, politische) Ambitionen hatten als einfach nur zu regieren, egal wie. Die knirschten und litten wie die Hunde in der so genannten Großen Koalition. Seit dem merkwürdigen Koalitionsausschuss diese Woche verstehe ich, glaube ich, etwas besser, wie es euch damals, ja, damals ging.

Tatsächlich bin ich ratlos. Ob und wann es Zeit für Widerstand ist, durchzieht als Frage ja seit zwanzig Jahren dieses Blog. Und ich würde mich ja weder kommunalpolitisch engagieren noch bei den Grünen Mitglied bleiben, wenn ich nicht irgendwie die Hoffnung habe, dass ich (im Kleinen, im Mittleren) etwas dazu beitragen könnte, dass es morgen besser ist als heute. 

Zugleich denke ich immer wieder und seit Jahren – hier beispielsweise etwas aus dem September 2016 – darüber nach, wie wir es ertragen mögen, wenn viele Menschen einfach den Kopf in den Sand stecken. Oder den Sand in den Kopf. Je nachdem. Zusammen machen die dann ja die Mehrheit aus. Sozusagen die Dauerfrage, die Jochen Wegner im Podcast Alles Gesagt mit allen diskutieren will, also ob Demokratie wirklich taugt angesichts der Situation der Welt. Das ist ja auch die Frage der Letzten Generation. Und die Frage schon immer all derer, die in den aktiven Widerstand gingen. Wobei die diese Frage für sich ja beantwortet haben, was ich für mich nicht kann. 

Wo ich heute die SPD von damals fühle, ist diese Wut und diese Ohnmacht angesichts der winzigen Schritte, die gar nichts nützen aber besser sind als gar keine Schritte, also besser als es wäre, wenn Grüne nicht mit dabei wären, wenn wir aussteigen aus der Regierung, was wir eigentlich müssten, wenn wir auch nur einen Funken Selbstachtung hätten, es aber nicht tun, weil dann alles noch schlimmer wäre, was dann wirklich schlimm wäre, obwohl es auch so ziemlich schlimm, aber vielleicht nicht wirklich schlimm ist. Oder so. 

Gelbe Sonnenblume mit dem Spruch "Für ein besseres Morgen"



Dorfklatsch

Seit ich mich endlich für eine Friseurin des Vertrauens entschieden habe, zum ersten Mal seit Ende meiner Kindheit witzigerweise, vielleicht liegt es daran, dass meine Haare so deutlich weniger werden, dass es wichtiger ist, was damit passiert, vielleicht aber auch daran, dass einer meiner Söhne Handwerker geworden ist, jedenfalls habe ich eine Friseurin, seitdem also ist unser Gespräch fast wie Social Media.

Es geht einfach weiter, wenn ich nach einigen Wochen wieder da bin. Da Tochter und Liebste auch zu ihr gehen (sie hat sich mitten in der Pandemie selbstständig gemacht, so wie ich, zusammen mit zwei anderen Frauen, eine mit Fußpflege und eine mit Kosmetik, sozusagen eine Bürogemeinschaft), ist es sogar ein irgendwie verteiltes Gespräch. Jedenfalls knüpften wir genau da an, wo wir letztes Mal aufhörten, ein kleiner Schlenker zum Gespräch mit der Liebsten, und los ging es. 

Und da sie im Nachbardorf wohnt, ist es zugleich das, was das Vorurteil des Friseurinnensalons immer schon war: wir reden über das, was hier so los ist. Aber interessanterweise ohne zu lästern oder Indirektionen. Auch dabei musste ich, vielleicht, weil ich gerade mit retroartigem Tagebuchbloggen experimentiere, an das alte Social Media denken, als wir noch alle bloggten und es noch Webzweinull hieß (oder Webzwonull, wie ich im Funklehrgang lernte). Alles, was wir bereden, ist zwar persönlich aber eben nicht privat. 

Wie schön, dass ich diesen Zwischenraum, den ich online so schätze, auch offline gefunden habe. 

28.3.23

Liebes Arschloch

Während ich es nie geschafft habe, aus der Idee eines Newsletters etwas regelmäßiges zu machen, auch wenn ich ihn hier rechts zumindest in der Desktopbrowservariante des Blogs bewerbe, lese ich anderer Menschen Newsletter gerne. Besonders, wenn auf einmal etwas Überraschendes herauspurzelt. Wie neulich bei Franziska Bluhm, die ja auch irgendwie meine Bloggeneration war damals.

Und so habe ich mich neulich nicht um die Weitergabe des Buches „Liebes Arschloch“ von Virginie Despentes beworben – sondern mir das Hörbuch gekauft und bingegehört. Was für ein Buch. Ein aktueller Briefroman. Mit allen Themen, die mich interessieren. Und allen Zwischentönen, die mich anregen. Einfach nur wow.

Und wie schon bei Lady Susan merke ich, wie mich das Format fasziniert. Weil so viel zwischendurch passiert. Passiert sein muss. Weil es Raum lässt für Denken und Fühlen und Fantasie. Und weil es mich immer und immer noch überrascht. 

27.3.23

Martinée

Seit einiger Zeit sind wir Mitglied im Freundeskreis Kultur Gut Hasselburg. Seit der Verein zusammen mit dem Gut und der Stahlberg-Stiftung letztes Jahr ein Kammermusikfest gegründet hat. Kammermusik ist unser Ding. Wir sind auch schon seit mehr als dreißig Jahren Mitglied der Gesellschaft der Freund*innen der Sommerlichen Musiktage Hitzacker.

Das Kreuzgewölbe von Gut Hasselburg von unten fotografiert

Gestern sind wir darum in der Martinée im modernen Kreuzgewölbe des Guts gewesen. Ganz wunderbare Musik, Klavier und Cello, spanische Komponisten, teilweise selbst arrangiert, eine Sonate für diese beiden Instrumente. Und in der Tat, wie der Hausherr hinterher anmerkte: ganz andere Musik als zur gleichen Zeit hierzulande. Mega.

Der Ort lohnt sich übrigens sehr. Ebenso das Kammermusikfest, uns könnt ihr da am Freitag und am Sonntag antreffen. Und bestimmt auch beim Musikfest zum SHMF.

26.3.23

Nach Hause

Als Veteran der Eltern-Bubble mit vier erwachsenen Kindern sage ich ja immer mehr oder weniger im Scherz zu jungen Eltern: „Es wird nicht besser, nur anders.“ Aber heute muss ich mal zugeben: das ist gelogen.

Denn es ist inzwischen richtig toll. Wenn die Kinder gerne (nein, nicht zu oft) nach Hause kommen. Wenn sie ihre Partner*innen und Freund*innen gerne mitbringen und die gerne kommen. Wenn wir mit denen zusammen essen, trinken und – ganz retro – spielen. Wenn wir alte Fotos ansehen und Hochzeiten planen. Wenn sie um Rat nachsuchen und Rat geben. 

Ich merke, wie gesegnet und glücklich ich bin. 

25.3.23

Endlich mal wieder auf einem Turnier

Es ist viel zu lange her gewesen, dass wir auf einem Islandpferdeturnier waren. Vor allem, ohne Turniertrottel zu sein und die Tochter beim Reiten zu begleiten. Das erste Outdoor-Turnier der Saison bei uns, dann auch noch bei Freund*innen auf der Anlage. Und mit vielen Menschen, die wir mögen und mit denen wir lange nicht mehr sprachen. Ach ja: und ein bisschen Sport gab es auch. 

Jetzt erstmal zur Funker*innen-Ausbildung nach Lensahn. 

24.3.23

Überlisten

Das „Problem“ unserer freiheitsverwöhnten isländischen Landnahme-Hühner ist ja, dass sie dauernd neue Verstecke für die Eier finden. Letzte Woche haben wir eins ausgehoben. Dann wieder tagelang keines gefunden. 

einer unserer isländischen Hähne auf dem Hügel, eni Huhn und eine Ziege

Gestern Abend dann wieder 14 Stück zwischen Heuklappen entdeckt. Diesmal versuche ich, sie zu überlisten - und hab zwei da gelassen und markiert als Lockvögel. Mal sehen, ob sie drauf reinfallen.

23.3.23

Alphabet

In der Funker*innen-Ausbildung der Freiwilligen Feuerwehr, die ich zurzeit mache, war das Buchstabieren ein Thema. Und bei der "Prüfung" am Ende der Ausbildung (oder zumindest in der praktischen Übung, die am letzten Tag stattfindet) werden wir es auch machen müssen. In der Praxis ist es dann im Grunde relativ egal, wie jemand buchstabiert, so lange des an der Gegenstelle – meistens der Leitstelle – eindeutig verstanden wird. In Deutschland buchstabieren wir traditionell ganz überwiegend mit Namen.

Allerdings hatte ich im Hinterkopf, Teil dieses politisch-kulturellen Wissens, das irgendwie da ist, dass die aktuell genutzte Buchstabiertafel problematisch ist, beispielsweise (aber nicht nur), weil sie von den Nazis geändert wurde. Dass sie misogyn ist, wenn wir uns die Geschlechterverteilung und beispielsweise den Namen, mit dem lange Zeit das  X buchstabiert wurde, ansieht, kommt dazu. Ebenso, dass keine Kinder viele der Namen überhaupt nicht mehr kennen oder sich "einfach" merken könnten.

Was mir nicht bekannt war, ist, dass das Problem mit der Buchstabiertafel erkannt ist. Und gelöst! Die Idee war, Städtenamen zu nutzen. Das finde ich smart. Schon seit letztem Jahr gibt es eine neue, offizielle, mit der DIN 5009 versehene Tafel.

Bucgstabiertafel nach DIN 5009 mit Städtenamen

Meine Ausbilder wussten nicht, dass sie schon eingeführt ist, immerhin wussten sie, dass sie in der Mache ist. Und selbstverständlich ist sie noch nicht Bestandteil der Dienstvorschriften der Feuerwehr. Mir gefällt sie. Ich kannte alle Städtenamen. Und ich werde sie nutzen. Denn wenn ich, zur großen Irritation der Ausbilder, schon die zurzeit genutzte Tafel kritisiere und auf ihre Nazi-Geschichte hinweise, sollte ich die richtige, neue können.

15.11.22

Das Ende der Mehrheit

Vor einigen Wochen habe ich in Österreich einen Vortrag halten dürfen – zum Jubiläum einer lutherischen Kirche, die in ihrer Gegend, wie überall in Österreich, in einer sehr kleinen Minderheit ist. Es war für mich ein Anlass, weiter über mein schon lange in immer neuen Varianten ventiliertes Thema der Minderheiten-Mehrheit, also der Veränderung der Gesellschaft, wenn es keine Mehrheit mehr gibt, nachzudenken. 

Die Rede, die fast eine halbe Stunde dauerte und die ich im Parlament der Bundeslandes Niederösterreich halten durfte, dokumentiere ich hier leicht adaptiert, also etwas von den sehr spezifischen Passagen bereinigt, die sich auf die konkrete Kirche und ihre Situation bezogen. Am Tag nach der Rede habe ich mit rund vierzig Menschen noch einen Workshop zu dem Thema gestaltet, was weiteres sehr wertvolles Feedback bedeutete, das in das Nachdenken und Weiterschreiben einfloss und einfließt.

Viele viele bunte Schokolinsen