27.9.21

Das kann ja niemand wollen

Ganz ehrlich, es ist furchtbar. Ja, fast 15% für Grüne ist einerseits toll. Aber dass es nur die Möglichkeit gibt, entweder die bestehende Koalition fortzusetzen oder zusammen mit der FDP eine Regierung zu bilden, ist irgendwie keine besonders erfreulich Aussicht.

Die ersten Reaktionen fast aller Menschen in meiner direkten Umgebung waren Entsetzen – und der apodiktische Wunsch, auf keinen Fall irgendwas zu machen, was die CDU an der Regierung hält. Und mein erster Impuls war das auch. Zumal die Vorstellung, Armin Laschet könnte Kanzlerin werden, wirklich absolut absurd ist. Ja. 

Eggink01 

Meine Schwierigkeit ist nur, dass ich Olaf Scholz aus meiner Zeit in Hamburg ganz gut kenne und auch schon direkt mit ihm arbeiten musste. Weshalb die Vorstellung, er könnte Kanzlerin werden, auch ziemlich absurd ist.

Nachdem die CDU nun langsam in der Wirklichkeit ankommt und davon ausgeht, dass sie nicht regieren wird, ist die Lage für Grüne und für die, die Politik ändern wollen, eher schwieriger geworden. Denn alle Erfahrungen aus Koalitionsverhandlungen zeigen, dass sich grüne Kernanliegen im Bereich Ökologie vor allem mit der CDU einfacher aushandeln lassen als mit der SPD, die fälschlicherweise immer davon ausgeht, dass sich Grüne und SPD im Prinzip einig seien. Das ist ja nur leider nicht so.

Was FDP und CDU erfolgreich gemacht haben gestern und heute, ist, das Verhandlungsfeld für Grüne zu verkleinern. Denn in einer SPD-Ampel positioniert sich die FDP so, dass sie besonders viel rausholen müsste – während in einer CDU-Ampel die Grünen besonders viel rausholen müssten –, um jeweils bei Wähler:innen und Basis zu bestehen. Das ist besonders dramatisch, weil die Kernanliegen ja von CDU und SPD ohnehin schon eingepreist sind (früherer Kohleausstieg wird nicht mal verhandelt werden müssen beispielsweise).

Zugleich öffnet die CDU ironischerweise heute mit ihrer Vorstandssitzung die Tür wieder für eine Regierungsbeteiligung/-führung – indem sie Laschet de facto absägt und ihm lediglich noch ein paar Tage lässt, um seine verheerende Niederlage emotional zu begreifen (auch darin grotesk ähnlich mit Trump übrigens). Laschet wird mit grüner Beteiligung nicht Kanzlerin werden. Das scheint mir heute klar. Aber auf Scholz wird ebenfalls niemand Lust haben, die Hamburger Grünen werden da genug zu erzählen haben.

Eine Regierung, die Grüne mit einschließt, wird nicht zustande kommen, ohne dass sie das Kohlenstoff-Budget so behandelt wie das Geld-Budget. Welche der 25%-Parteien dazu bereit ist, wird die Kanzlerin stellen können. Welche also ein Klimaschutzministerium baut, das mit den gleichen Vollmachten ausgestattet ist wie das Finanzministerium. Darauf werden sich Grüne auch mit der FDP einigen können, denke ich.

Und da Laschet nun weg ist (jaja, das dauert noch ein paar Tage aus Pietätsgründen), ist aber der Weg frei für mehrere Optionen. Ein Angebot der CDU wird und muss auch ein Personalangebot an die Grünen einschließen. Röttgen, Günther, Hans – da geht bestimmt was. Mit Laschet wird Merz untergehen, die Ostfürsten haben ohnehin nichts mehr zu melden nach deren Ergebnis. Eine erneuerte CDU kann eine Chance sein. Und hätte wahrscheinlich mehr Charme als die konservative SPD. Aber vielleicht springt ja auch die über ihren Schatten und überrascht uns alle. Ich wünsche es mir. Sehr. Denn dann könnten wir nicht nur gute Politik machen sondern damit auch emotional zurecht kommen...