26.1.18

Das Nachwort

Seit Jahren wollte ich einen Henry-James-Roman lesen. Wenn ich ehrlich bin, liegt das an Notting Hill. Also an dem Film. Wisst schon, wieso... Also habe ich mir, ebenfalls vor Jahren, die Aspern-Schriften gekauft. Weil es in Venedig spielt, das ich so liebe und ganz gut zu kennen glaube. Und nun also endlich gelesen.

Henry James: Die Aspern-Schriften, 180 Seiten

Die Ausgabe, die ich von dem Buch habe (das eigentlich eher eine Novelle ist, auch wenn Roman draufsteht), hat hinten drin ein Essay der Übersetzerin Bettina Blumenberg. Und ohne dieses Essay hätte mich die Geschichte etwas ratlos zurück gelassen. Übrigens gefällt mir die Übersetzung sehr, sprachlich vor allem. Dass Blumenberg mir aber am Ende noch einmal erklärt, warum das, was mich irritierte, gewollt und richtig und besonders kunstvoll ist, beruhigte mich etwas. Denn ohne den Kontext war es mir so merkwürdig fleischlos, toastbrotartig erschienen. Ja, die gewisse Lieblosigkeit, mit der der Ich-Erzähler hantiert, war als Ausdruck seines Charakters gedacht, das war mit klar. Aber diese lapidare Form, in der alle, die in der Geschichte auftreten, unsympathisch bleiben oder werden, trieb mich immer schneller durch die Geschichte, ohne dass sich Genuss oder auch nur ein Eintauchen einstellte. Dass Venedig im Grunde nicht einmal die Kulisse darstellt, tut ein Übriges.

Über's Nachwort habe ich es verstanden. Und lächelte über meine Naivität. Sollte ich noch was von Henry James lesen, wenn es mir so mit dieser Novelle ging?

[Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr beim Pendeln mehr zu lesen. Bücher und so. Wenn es in dem Tempo weitergehen sollte, werden das viele, aber wer weiß. Und das hier ein Lesetagebuch. Vielleicht.]

17.1.18

Vorurteilen zum Trotz

Ich muss etwas gestehen: Ich habe bis jetzt dieses Buch (DIESES BUCH11!1!!11) noch nie ganz gelesen. Immer mal angefangen aber nicht durchgehalten oder durchhalten wollen. Und war voller Vorurteile, weil ich mich nicht auf Stil und Sprache einlassen wollte.

Jane Austen: Stolz und Vorurteil, 402 Seiten

Jetzt aber. Und voila, es hat gar nicht weh getan. Am meisten haben mich zwei Dinge überrascht: zum einen, dass es immer als ironisch oder karikierend beschrieben wird. Es ist witzig, sehr oft. Aber ist es wirklich eine Karikatur? Und zum anderen, dass es ja tatsächlich wie das Drehbuch der großartigen Miniserie der BBC mit Jennifer Ehle und Colin Firth ist. Erstaunlich, wie genau sich diese Verfilmung an das Buch hält.

Und weil ich die Geschichte also doch sehr genau kenne, habe ich das Buch tatsächlich dieses Mal genossen. Auch, weil es für sein Alter sehr rasant ist. Keine Längen, keine sinnlosen Kapriolen, wunderbar konstruiert. Eben die Mutter aller Liebesgeschichten. Geholfen hat mir dabei, dass ich zum ersten Mal einen Versuch machte, es in größeren Stücken zu lesen. So konnte ich mich mit mehr Ruhe in die Sprache einfinden. Pendeln ist zu was gut...

Was mich dann beim Lesen gefesselt hat, ist, dass dieser Roman nie süßlich ist. Nicht im eigentlichen Sinne romantisch. Und erst auf den letzten Seiten rührend. Und wie immer die Perspektive Elisabeths gehalten wird. Ihre inneren Kämpfe und ihre Weiterentwicklung im Mittelpunkt stehen - was keine der vielen Verfilmungen und Adaptionen, die ich kenne, auch nur in Ansätzen abbildet.

Es ist ein großes Buch. Ein menschliches. Und eines, bei dem mich nie störte, dass ich die "Story" kenne, dass alle Menschen es schon gelesen haben, meine Liebste viele, viele Male beispielsweise. Im Gegenteil, so konnte ich mein Erstaunen und meine Gedanken teilen, ohne etwas erklären zu wollen. Hab ich genossen.

Endlich abgehakt auf der ewigen Leseliste. Und schade, dass es schon zu Ende ist.


[Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr beim Pendeln mehr zu lesen. Bücher und so. Wenn es in dem Tempo weitergehen sollte, werden das viele, aber wer weiß. Und das hier ein Lesetagebuch. Vielleicht.]

15.1.18

Pimmelparade

Symbolbild
Sehr passend finde ich ja, sich über (fast) reine Männerlisten, Männerumfragen, Männerpanels mit diesem Wort lustig zu machen. Denn wo es sie gibt, ist es genau so lächerlich wie dieses Wort suggeriert: sehr.

Daran musste ich Ende letzten Jahres wieder denken, als ein Rundruf bei Medienschaffenden dazu, wie denn 2018 so werde, in einem Fachdienst rund 15 Männer und eine Frau mit ihren Antworten aufgeführt waren. Was für eine beknackte Pimmelparade. Die Redaktion gab sich selbstbewusst und wies darauf hin, dass die Frage an etwa gleich viele Männer wie Frauen geschickt worden sei - aber fast nur Männer geantwortet hätten. Na sowas. Womit sie das Phänomen der Pimmelparade sehr gut beschrieben hat.

Mit dieser Frage beschäftige ich mich ja schon lange. Ich hab gerade mal nachgeguckt - im Zusammenhang mit meiner Partei schrieb ich 2011 schon mal was dazu. Und als ich feststellte, das das tatsächlich schon 2011 war, erschrak ich sogar etwas.

So wenig sind wir seitdem weitergekommen? Es ist immer noch die gleiche Ausrede? Dieses "wir haben ja gefragt, sie wollten ja nicht" wird von sehr vielen immer noch nicht als Teil des Problems erkannt? Das finde ich sehr, sehr traurig und grotesk.

Eine Pimmelparade bleibt beknackt

Egal, welche Ausrede ich finde, sie bleibt falsch. Und wenn es, wie in dem Beispiel im Dezember, auf eine Idee nur Zustimmung von Männern gibt, sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich akzeptiere, dass ich eben eine Pimmelparade mache und stehe dazu. Oder ich hinterfrage das, was ich da angeschoben habe.

Denn es kann ja auch sehr gut sein, dass nur so wenige Frauen auf den Rundruf reagiert haben, weil sie die Frage und das Format genau so doof fanden wie ich es auch fand. Nur dass ich mich in meiner Eitelkeit wahrscheinlich dafür entschieden hätte, eine Antwort zu schicken, um mein Bild auf der Website zu sehen. Eine solche Rücklaufquote wäre also eigentlich die ideale Gelegenheit, über das Format nachzudenken. Oder zumindest (zumindest!) einmal nachzufragen bei der einen oder anderen, wieso sie nicht geantwortet hat.

Wenn ich für Fensterredenkongresse nicht genug Sprecherinnen finde, kann das daran liegen, dass ich doof bin. Oder daran, dass das Format Fensterrede doof ist. Wenn sich in einer Debatte irgendwann nur noch Männer zu Wort melden, kann es sein, dass das Thema nur Männer interessiert. Oder dass schon alles gesagt ist und es langweilig wird.

These: Eine Pimmelparade ist ein untrügliches Zeichen, dass Thema oder Format langweilig und irrelevant ist.

9.1.18

Altes Land

Ein so zauberhaftes Buch. Zwei Tage, vier Bahnfahrten nur. Netto also rund sechs Stunden. Und schade, dass es schon vorbei ist.

Dörte Hansen: Altes Land, 287 Seiten

Es ist vor allem und mehr noch als die Geschichte die Sprache, die mich sofort und die gesamte Zeit in den Bann geschlagen hat. Dieser lapidare, fast lyrische Stil, der sehr aus der Mode ist, den ich aber immer so sehr genieße. Mit den Perspektivwechseln zu jedem Kapitel, die alle wunderbar zärtlich-spöttisch gemalten Protagonistinnen vielschichtig und lebendig machen.

Keine einzige Person in diesem Kammerstück ist grotesk überzeichnet. Den Barmbeker Tischler kenne ich aus Bramfeld. Die Ottensener Eltern sehe ich jeden Tag. Die Altländer Bauern und noch mehr die Bäuerinnen erinnern entfernt an die, die ich auf dem Land treffe. Die Stadtflüchtigen sind die einzigen, die wirklich doof sind. Also alles wie in echt.

Und ansonsten ist es die liebevoll erzählte Geschichte von Menschen, die nicht "funktionieren", aber irgendwie zusammen ins Leben zurück finden. Mehr noch als die von einem Haus, das so windschief ist wie seine Bewohnerinnen.

Was für ein Lesegenuss jedenfalls. Was für Jahresauftakt für mich, der mich glücklich machte.

[Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr beim Pendeln mehr zu lesen. Bücher und so. Wenn es in dem Tempo weitergehen sollte, werden das viele, aber wer weiß. Und das hier ein Lesetagebuch. Vielleicht.]