24.10.23

Worte und Wörter

Normalerweise schreibe ich ja nicht so viel über meine Arbeit, weil andere den Ruhm dafür einheimsen sollen, das ist mein Konzept. Über einen Aspekt habe ich aber in der letzten Zeit mit vielen Menschen gesprochen – und gemerkt, dass sie interessiert nachfragten. Darum erläutere ich es einmal etwas. Dabei geht es um das Erfinden von Worten, manchmal auch (nur) Wörtern.

Im Kern ist meine geheime Superkraft ja, dass ich Strategien in Emotionen umwandeln kann. Das mache ich für Geld. Und das macht einen großen Teil dessen aus, wieso mich Agenturen und Unternehmen als Kreativen und "Creative Governor" an Bord holen. Um Große Ideen mit ihnen zu entwickeln und die Geschichte dazu zu erzählen. 

Creative Governance. Oder: die Schönheit der Großen Idee.

Teil der Magie dieser Geschichte sind die Wörter und die Worte, die wir benutzen, um sie erfahrbar zu machen. Um ihren emotionalen Haushalt zu möblieren. Um den Raum auszuleuchten, der zwischen den Fakten und den Gefühlen entsteht. Und oft gibt es für diesen Zweck keine Wörter.

Vielleicht ist es meine Liebe zur expressionistischen Lyrik, zu Trakl, zu Stramm, die mich hier etwas mutiger sein lässt als andere. Jedenfalls funktioniert es faszinierend gut und führt oft zu erstaunlichen Reaktionen, dass ich Wörter und Worte erschaffe, die klar und eindeutig sind, vor allem emotional eindeutig, und dennoch neu und frisch und irgendwie ungehört, obwohl sie sich anfühlen, als ob es sie schon gäbe.

Und weil das so furchtbar theoretisch klingt, ein Beispiel, das ich hiermit in die freie Wildbahn entlasse: zukunftsmächtig

Wahnsinnig oft gehört heute das ausgelutschte und aussagefreie Adjektiv innovativ zur Selbstbeschreibung von Unternehmen. Damit kann ich so gar nichts anfangen. Es differenziert nicht, es löst nichts aus, ich sehe nichts. Was soll das überhaupt sein? Ja, mir ist schon klar, was Innovation ausmacht, es gab vor Jahren mal eine total tolle brand eins-Ausgabe darüber, seitdem weiß ich, was Innovator*innen von Erfinder*innen unterscheidet. Aber meine Arbeit, meine Suche, startet hier erst.

Eine meiner Wortschöpfungen, die es geschafft hat, das, was sie eigentlich sagen wollten, wenn sie von innovativ sprechen, anschaulich, fühlbar zu machen, war zukunftsmächtig. Das löste im Workshop und löst seitdem in Gesprächen direkt eine körperliche Reaktion aus. Eine Veränderung der Blickrichtung (also ganz wörtlich, nicht übertragend), eine Bewegung des Kopfes (wieder ganz wörtlich, nicht übertragend). 

Solche Wörter suche ich. Wie so ein Innovator, also oft durch Kombination von Wörtern, die es schon gibt. Um solche Wörter herum entstehen Worte und Geschichten. Und am Ende dann die Governance für Taktiken und Exekution.

Und das beste an solchen Wörtern ist, dass sie, wenn sie gut und originell sind, das entfalten und beschreiben, was ich die tiefe menschliche Wahrheit nenne. Oder, in Agentur-Sprech, das Human Insight.

Insight: Eine grundlegende emotionale Wahrheit, die intuitiv so klar und natürlich ist, dass es sich anfühlt, als ob ich mich an etwas erinnere, das ich schon immer gewusst habe.


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