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4.2.24

Herzlich Willkommen

Ich freue mich irre doll, dass so viele Menschen in den Widerstand gegen den Faschismus eingestiegen sind. Für viele, mit denen ich in den letzten Wochen sprach, ist es das erste Mal, dass sie bei diesem Thema aktiv werden. Dass dieser Widerstand, der die letzten 35 Jahre eher ein Nischendasein fristete, jetzt Massen erreicht, ist wunderbar. Und ich habe den Eindruck, dass die allermeisten, die seit vielen Jahren hier arbeiten und sich engagieren, mir zustimmen, wenn ich den neuen Mitstreiter*innen ein herzliches Willkommen zurufe. 

In den ersten Wochen dieses massenhaften Widerstands war es auch so, wie erwartet: Menschen, die neu zur Bewegung kamen, schlossen sich an. Und waren mit ihren Plakaten und Schildern dabei. Trugen ihre Wünsche und Themen mit auf die Demos. Die waren dadurch bunt, fröhlich, engagiert, vielfältig. 

In den letzten Tagen erlebe ich allerdings – vor allem interessanterweise auf LinkedIn, bisher weniger auf der Straße und in der Kleinstadt – erstes tone policing von Neu-Anti-Faschist*innen. Tone policing heißt, dass Ton- und Wortwahl von (anderen) Aktiven kritisiert wird, und damit de facto ihr Engagement und ihre Erfahrung delegitimiert. 

Das äußert sich vor allem in der Kritik, den Widerstand als „gegen Rechts“ zu bezeichnen. Und in der Kritik an explizit linken Redebeiträgen. Und während ich mich sehr ehrlich freue, dass der Widerstand sich verbreitert und mehr und mehr Menschen erleben, wie gut und wichtig es ist, dem Faschismus entgegenzutreten, ärgert mich der Versuch, nicht nur dazuzukommen – sondern den Widerstand gleich zu übernehmen und einer auf der Straße nicht zu spürenden Spaltung das Wort zu reden. 

Am meisten irritiert mich, wenn das von Menschen kommt, die noch vor vier Jahren versucht haben, uns, die sich klar als Antifa positioniert haben, die Legitimation abzusprechen. Erinnert ihr euch noch an die Beschimpfungen, als wir „50 Jahre und Antifa“ schrieben? 

Erinnert ihr euch auch noch daran, dass es in den letzten 35 Jahren nur drei Gruppen gab, auf die sich absolut verlassen konnte, wer gegen den Faschismus Position bezog? Das waren die interventionistische Antifa-Linke, die bürgerlich-linke Antifa und ein guter Teil der Hochverbundenen in den beiden großen Kirchen. Meine Erfahrung in diesen 35 Jahren war zumindest, dass hier immer Klarheit herrschte, bei bürgerlich-liberalen Gruppen oder Konservativen und auch bei den meisten Sozis und vielen Grünen aber nicht. Teilweise waren Gewerkschaften stabil, aber auch nicht alle und überall.  

Es ist sicher kein Zufall, dass die „rechtesten“, die in den letzten Wochen die Demos vor Ort angemeldet haben, Grüne waren. Auch wenn, wie bei uns vor Ort und an vielen anderen Orten auf dem Land, die Aufrufenden bunt waren, bis hin zur CDU. Auch hier wieder spreche ich sicher für die meisten, die ebenfalls die letzten 35 Jahre aktiv waren, dass ich mich mega freue, dass ihr dabei seid, dass ihr mit einsteigt, dass Antifaschismus viele Menschen bewegt. Dieses Wochenende waren rund 15% der Bevölkerung meiner Kleinstadt auf dem Marktplatz. 

Was ich schwierig finde, ist, wenn ihr Spätberufenen euch aufschwingt, uns langjährig Aktiven den Ton und die Worte vorzugeben. Wenn ihr euch dem Widerstand gegen Rechts und gegen den Faschismus anschließt, seid ihr Willkommen. Aber bitte schließt euch eben an. Viele von uns sind dabei auch zu Kompromissen bereit. Beispielsweise statt „rechts“ euch zuliebe „rechtsextrem“ zu sagen. Lasst uns darüber reden. Aber versteht bitte auch, wenn wir nach der Erfahrung mit euch die letzten 35 Jahre nicht sofort Hurra schreien, wenn ihr als erstes mal Forderungen stellt. 

Und bitte nie vergessen: Antifa ist Handarbeit. 

2 Kommentare:

  1. Ich muss Dir da aus Gründen widersprechen. Also in Teilen. Natürlich sollte niemand zu allererst oder zu allerzweit anfangen, irgendwen ein- oder auszugrenzen. Ich habe es auch schon anders herum gehört: Lasst Euch nix einreden, das sind Demos gegen die AfD, nicht für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. So wird das nie im Leben was, und die Rechtsradikalen, -extremen und Linksfaschisten lachen sich eins. So funktioniert es. Man haut die Einheitsfront, die plural ist, auseinander. Zack. Gewonnen.

    Mit einem Verweis auf xx Jahre von irgendwas gegen irgendwas ist es nicht getan. Wie Wolf Biermann schon vor dutzenden von Jahren beklagte, es föngt dann damit an, wer der Linkste im ganzen Land sei.

    Statt also sich einfach darüber zu freuen, dass nach Antiatom und AntiNatonachrüstungsbeschluss endlich wieder ganze Straßenzüge in die Öffentlichkeit drücken, vom Friseur über den Polizisten oder die Anästhesisten, nein: Wer hat hat hier ältere Rechte. Tut mir leid. Meine Erfahrung gerade aus dem linken Spektrum sind auch, es ist da manchmal nur eine kleiner ins andere Lager. Ob Horst Mahler, Rabehl … Die Extreme helfen nur sich selbst.

    Und als Frühberufener, Du? Es würde genügen, häufig, wenn die sogannten Gemäßigten was auf die Reihe bekommen. Adorno hat für die USA in den 30er/40er-Jahren geszeigt, dass dort Autoritarismus deutlich stärker vertreten waren und auch Antisemitismus als in Deutschland. Trotzdem hat er sich hier Bahn gebrochen. Dort anders, aber deutlich reduzierter. Warum wohl? Weil wir hier immer die Besten in Allem sein wollen. Im Totschlagen, im Widerstand, im kollektiven Seilbstbeweihräuchern und in einer Selbstkritik die über Skepsis daran immer wieder total hinausgeht.

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    1. Anonym15.2.24

      Lustig, wie der erste Kommentar zu einem Posting über Tone Policing … Tone Policing zu betreiben versucht.

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