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22.2.24

Gurren

Auf einmal hatte ich, als ich von den Weiden zurückkam, auf denen unsere Jungpferde stehen, so ein wohliges Gefühl im Magen. So ein Vertrauten, eine tiefe Erinnerung an die Kindheit. Obwohl ich hier ja nicht aufgewachsen bin und an mir Autos vorbeifuhren. Es verwirrte mich zuerst. Bis mir klar wurde, woher es kam.

Es war das Gurren, schräg über mir, aus den Bäumen auf der anderen Straßenseite, der Allee, an der unser Hof liegt. Oben musste eine Taube sitzen. Tauben höre ich nicht mehr so oft. Was nicht nur daran liegt, dass ich vor allem in der Stadt oft Kopfhörer auf den Ohren habe, um den Grundlärm der Stadt zu ertragen. Sondern auch daran, dass sie nicht mehr so oft direkt in meiner Nähe gurren.

Irgendwann während meiner Kindheit gerieten Tauben in Misskredit, galten auf einmal als Ratten der Lüfte, als Problem in der Stadt. Bis dahin saßen sie in unserer Hochhaussiedlung und gurrten. Mich hatte dieses Gurren immer sehr beruhigt. Wenn es durch das Fenster hereinkam, das auf Kipp stand, während ich auf dem Fußboden saß und spielte. Oder mir Geschichten erzählte. Oder etwas später am Schreibtisch saß und die Tischplatte mit Spiralen anmalte, während ich in die Luft starrte. Das Gurren war mein Begleiter, war der Soundtrack meiner Selbstgespräche und meiner Fantasiewelten.

Und obwohl in meiner Jugend Tauben dann sehr wichtig waren und wir alle welche an den Jacken und Rucksäcken hatten als Sticker oder Anstecker, verschwanden sie nach und nach. Galten als schmutzig und eklig. Und ich vergaß das Gurren.

Allerdings nie ganz, offenbar. Denn das Gefühl, das damit verbunden war, und das für das tiefe Versenken in Geschichten stand, für etwas, das wir heute wohl als Flow bezeichnen würden, wenn wir darüber redeten, dieses Gefühl blieb. Und kam heute früh wieder hervor. Und machte mich sehr glücklich. 

Abgesehen davon ist es ein tolles Wort, das so klingt wie der Ton selbst. 

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