16.2.18

Wurst

Über die letzten, sagen wir mal, fünfzehn Jahre bin ich objektiv betrachtet deutlich konservativer geworden. Das erschreckt mich manchmal. Ich merke es deutlich, wenn ich alte Texte in diesem Blog lese, das am Sonntag seit fünfzehn Jahren online ist, und wenn ich mit dem einen oder anderen meiner Söhne diskutiere.

In einer größeren Gruppe von Menschen, die ich seit Jahren unregelmäßig sehe und die hohe und sehr hohe Führungspositionen inne haben, gibt es einen, der immer sehr klar zu seiner sehr konservativen Position gestanden hat. Die er als einer der wenigen in dieser Gruppe laut und deutlich vertrat und immer noch vertritt. Er hat seine Position in den letzten, sagen wir mal, fünfzehn Jahren, in denen wir uns in diesem Rahmen begegnen, nicht wesentlich geändert und bezeichnet sich selbst übrigens ebenfalls als "sehr konservativ".

Als diese Gruppe vor einige Zeit und nach längerer Pause, über ein Jahr, wieder einmal zusammenkam, war etwas sehr Merkwürdiges passiert. Oder eigentlich drei merkwürdige Dinge. 

Zum einen wurde sehr viel mehr über Politik geredet als jemals zuvor. Zum anderen waren die Frauen in dieser Gruppe so schweigsam wie seit Jahren nicht mehr. Und zum dritten war jener sehr konservative Mann auf einem Koordinatensystem, das von rechts nach links sortiert wäre, derjenige, der von allen dort im Raum mir am nächsten war. Und von den Männern, die sich lautstark äußerten, der einzige, der keine Selbstviktimisierung betrieb. Wir beide wurden im Laufe des Abends immer schweigsamer.

Tatsächlich ist meine Erschütterung über dieses Erlebnis größer, als ich zunächst dachte. Wie es passieren konnte, dass so viele verstummten, macht mir Angst. Und die Wurstwerdung von Stahlträgern des Systems irritiert mich sehr.

Symbolbild: Würste

5 Kommentare:

  1. Hm, wie geht der alte Spruch, dass junge Menschen, die nicht links sind kein Herz haben und ältere, die es noch immer sind, keinen Kopf?
    Ich habe als junger Mensch gesagt, ich hätte keine politischen sondern philosophische Weltansichten. An den philosophischen brauch ich glaub ich nicht viel zu deuteln, die scheinen mir konstant. die Strauß(-Kohl)-CDU/CSU war ja auch als Feindbild einfacher als die Merkel-CDU post 2015. (Mal sehen ob Seehofer das wieder richtet ;) )
    Andererseits haben Parteien, denen du glaube ich angehörst und die ich wähle, ziemlich in die Mitte bewegt. schon mein Prof (Anglist) sagte immer, die Grünen seien ja die eigentlich Konservativen. das war so um 89/90 rum. Man könnte das paraphrasieren mit: ...die wollen, dass alles so bliebt und wird wie es (nie?) war.
    Interessant fand ich die Analyse von Sascha Lobo bei der rp17, dass Positionen zur Vergwaltigung in der Ehe, die'damals' OK waren heute als AfD-Positionen gewertet würden. also: dass jemand, der noch OK-Positionen von vor 15, 20 Jahren hat, heute irgendwo am mittleren rechten Rand rumschwirrt oder rechts davon.
    Hm, Selbstviktimisierung. Ich habe weder das Gefühl, verstummen zu müssen, bin aber immer weider geschockt, wenn ich Leuten, die ich als sehr vernüftig eingeschätzt habe, nach vielen Jahren wiederbegegne, die sich dann irgendwo zwischen Windkrafthasser und AchGut-Fans einsortiert haben. Ich hab immer das gefühl, dass da Dinge nicht zuendegedacht werden. (Was WENN die AfD 51% hat? Will man das?)
    Ich zettle auch immer wieder auch in Businesskontexten politische Dialoge an. Und habe wie gesagt nicht das Gefühl, verstummen zu müssen. Mit jedem, der andere leben (und nicht-vegan sein und fliegen und ... lässt) komm ich aus. Hm.

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  2. Wenn ich zwischen den Zeilen richtig lese, war die große Zahl der Führungskräfte vor einigen Jahren nicht offen politisch und neigt jetzt Richtung AfD-Populismus? Wenn ich das richtig verstehe, würde das einige meiner Vorurteile über Manager bestätigen. Oder lese ich den Text falsch?

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  3. Hmmm.
    Das mit der Verstummung, da sprichst du was an. Mich an. Ich habe keine Lust, mich in Debatten zu werfen mit Menschen, die andere Menschen nur als "Kostenfaktor" oder "Wirtschaftsfaktor" betrachten. Besonders dann, wenn ich mir sicher bin, dass meine Argumente ohnehin klein geredet, weg gewischt, angegriffen werden.
    Die meinen, das Recht auf Asyl sei eine Spassveranstatlung und nicht dafür da, das Überleben von Verfolgten zu sichern. Die selbst mit 50%iger Wahrscheinlichkeit aus einer Familie mit Flüchtlingsbiographie stimmen, aber Flüchtlinge verjagen wollen.
    Auf solche mag ich meine Worte nicht verschwenden.
    (Wohl aber auf die, die nicht nur rumblubbern sondern am Suchen sind)

    Nun bin ich nicht in Deutschland und erlebe diesen Debattenwandel nciht. Zum Glück, denke ich manchmal, aber vielleicht auch nicht.

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