27.4.16

Zickig

Als Vater von Jungen bin ich oft schnell dabei gewesen, zu sagen "sei doch kein Mädchen". Und das, obwohl ich, wie ihr ja wisst, in einer feministischen Umgebung aufgewachsen bin. Inzwischen weiß ich, wie sehr solche Worte das Rollenverständnis nicht nur prägen sondern auch spiegeln.

Ähnlich ist es mit Worten wie "zickig" oder "Zicke".
Ja, es werden auch (ganz selten) Männer oder Jungen mit diesem Wort beschimpft. Aber meistens, so ist meine Erfahrung, um neben der eigentlichen Beschimpfung auch noch die Beleidigung "du Mädchen" mitzugeben.

Jetzt, wo meine Tochter größer wird und die üblichen Dinge tut, die meine Söhne auch taten, als sie größer wurden, fällt es mir noch mehr auf. Am Ende der Grundschulzeit wurde deutlich: Was bei Jungs als "wild" akzeptiert wurde, galt bei ihr als "aggressiv". Wo Jungs "dominant" genannt wurden, hieß es über sie, sie sei "zickig". Heute wird, durchaus in einer im Prinzip ideologisch deutlich offener und feministischer geprägten Schulumgebung, misogyne Kakkscheiße immer noch als "Streit" verniedlicht – wenn sich die Tochter auch körperlich wehrt, wenn sie von einem Jungen als "fett" oder "hässlich" beschimpft wird.

Da bin ich empfindlich. 
Und immer noch peinlich berührt, wenn dies von Lehrerinnen oder anderen Eltern nicht als Problem gesehen wird. Das aktuelle Problem ließ sich entschärfen, indem Secundus, ihr feministischer Bruder mit Punk-Attitüde, Quarta mal auf dem Schulhof der Kleinen besuchte. Aber irgendwie auch nicht so geil.

Ich finde es eine gute Idee, das Wort "zickig" umzudeuten, es in einen anderen Kontext zu stellen. Aber so weit sind wir noch nicht. Und darum verwende ich es nicht mehr. "Herrisch" ist aktuell meine Lieblingsalternative, auch aus dem Grund, dass es so wunderbar pseudomännlich klingt.

Sprache verändert Verhalten und Haltung.
Das ist meine Erfahrung. Sprache ist – zumindest in kulturellen Zusammenhängen, die stark sprachlich geprägt sind – eben nie unwichtig, zweitrangig, weg vom "eigentlichen". Unachtsamkeit bei Sprache ist auch nur selten wirklich boshaft – aber das ist auch nicht entscheidend. Wenn nur schlecht wäre, was jemand mit böser Absicht macht, wäre die Welt ein sehr viel besserer Ort. Schlecht kann auch etwas sein, das mir nicht selbst als schlecht auffällt. Denn dass es mir auffällt, hat auch viel mit Prägung zu tun, mit Erfahrung, damit, dass mich andere darauf aufmerksam machen. Mit meinem blinden Fleck. Und damit, dass ich mich selbst mit meinen eigenen Befindlichkeiten nicht so wichtig nehmen.

Ja, die eine oder andere wird nicht sofort bei Traumtänzer an einen Mann und bei Lieblingszicke an eine Frau denken. Aber am Ende ist das nicht wichtig. Denn es geht nicht um dich.

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Morgen ist der traditionelle Girls' Day, der heute oft auch Boys' und Girls' Day heißt. Da geht es um eine Arbeitswelterkundung, die vor allem dazu dienen soll, stereotype Rollenbilder in der Berufswahl aufzubrechen. Das klappt ungefähr so gut wie in der Werbung.

24.4.16

Sexy und sexistisch

So ganz grundsätzlich bin ich komplett gegen Verbote, Regelungen, Gesetze. Weil ich so naiv bin, zu glauben hoffen, dass selbst mittelalte, mittelkreative Männer irgendwann in der Lage wären, zu reflektieren. Ich dachte ja echt, wir haben 2016. Ach lassen wir das.



Wahrscheinlich ist es nur meiner Filterblase geschuldet, dass ich quasi nur ebendiese, nämlich mittelalte und mittelkreative Jungs, gesehen habe, die angesichts der Diskussion, ob Menschen zu Objekten degradierende Werbung verboten werden sollte, nichts anderes zu tun haben als den Untergang der freien Welt zu vermuten.

Eigentlich wollte ich ja nix dazu sagen. Aber erstens muss ich mal wieder was in dieses Blog schreiben. Und zweitens hat es mich dann doch sehr beschäftigt. Denn dicht am Untergang unserer Zivilisation und noch mehr unserer Branche (also der PR- und Werbebranche) ist ja eigentlich eher, dass es überhaupt einen Anlass gibt, zu diskutieren, ob und wie wir Werbung los werden könnten, die nicht nur extrem unkreativ ist sondern eben auch Menschen zu Objekten degradiert. Exemplarisch diskutiert an der sexistischen Objektifizierung von Frauen.

Sexy
Sexy ist toll, finde ich. Selbstbewusste Sinnlichkeit, Aktivität, Schönheit. Da ist so viel Potenzial für Kreativität drin. So viel Intelligenz möglich. Allerdings auch – und das ist dann nach meiner Erfahrung mit den mittelalten mittelkreativen Jungs Teil des Problems – nötig.

Sexistisch
Ich persönlich finde ja sexistische Bilder oder überhaupt sexistisches Verhalten das Gegenteil von sexy. Ist aber logischerweise eine persönliche Sichtweise. Der Vorteil an Sexismus ist unbestritten, dass auch bei nur geringer Begabung schnell effektvolle Dinge in der Kommunikation möglich sein. Platt geht halt immer, wenn ich dann noch schnell eine zu meinen mittelguten und wenig kreativen Ideen passende und wohlklingende Strategie zimmere, kann ich eventuell sogar einen Kunden überzeugen, wenn der an den gleichen Beschränkungen leidet wie ich.

Insofern kann ich den Aufschrei in gewisser Weise verstehen – denn es hat ja auch seine Gründe, warum es Agenturen allzu oft nicht gelingt, auf der Suche nach Sinnlichkeit und Sexyness Sexismus aus dem Weg zu gehen. Es ist einfach echt mühsam und erfordert ein gerüttet Maß an Selbstreflexion und – sic! – Kreativität. Oder zumindest Humor.

Persönlich brauche ich keine gesetzlichen Regeln, die vorschreiben, dass Menschen als Subjekte und nicht als Objekte anzusehen und zu zeigen sind. Wer sexistische Kakkscheiße produziert und das Werbung nennt, ist eh nicht satisfaktionsfähig. Nur haben wir ja inzwischen 2016. Und zwanzig Jahre Diskussion über dieses Thema und unzählige Rügen und noch mehr Beschwerden beim Werberat haben immer noch nicht dazu geführt, dass es weniger geworden wäre.
Werbung hat ein reales Sexismusproblem in Deutschland

Es ist wohl deutlich naiver, anzunehmen, "der Markt" werde es alleine richten, als anzunehmen, Menschen seien lernfähig. Obwohl schon letzteres allzu naiv ist, wie sich rausstellt. Zwanzig Jahre Diskussion, ohne dass sich etwas ändert, ist ein Marktversagen, das dann eben eventuell ein Eingreifen der Gesellschaft (in diesem Fall in Form des Gesetzgebers) nach sich zieht. Jammern oder großes Zensurgeschrei helfen dann eher nicht. Und sind dazu auch noch lächerlich, wenn nur schwer kaschiert werden kann, dass es um die eigene, offen gelebte sexistische Agenda geht. Denn Knotentänze von Geschäftsführern mit sexy jungen Auszubildenden sind schließlich auch ein Menschenrecht.