13.6.14

Die offene Tür

Dies ist die Geschichte von einem, der ein so genannter distanzierter Christ ist. Und dem sein ehemaliger Pastor eine Tür geöffnet hat. Die Geschichte von mir und Pastor Fahr aus Hamburg-Duvenstedt.

Denn schon bevor wir aus Duvenstedt wegzogen, war mein Kontakt zum Pfarrer etwas abgerissen, als wir uns so über einen Kindergarten stritten, aber das ist eine andere Geschichte. Immer wieder suchte ich einen Anfang mit meiner Kirche, aber ich fand keinen. Ich saß zwischen allen Stühlen, irgendwo zwischen Gemeinden in geistlicher Armut und in evangelikalem Verfolgungswahn. Mir lag meine Kirche, die lutherische, immer irgendwie am Herzen, aber ich distanzierte mich lebensweltlich immer mehr von ihr.

Es war nicht so, dass ich meinen Glauben verlor, gar nicht. Zu Hause blieben die Rituale, die Gebete, die Erziehung, die Konfirmation der beiden Großen. Und mir blieben beispielsweise die Losungen ein Wegbegleiter, auch die Bibel. Witzigerweise würde ich mich als fromm bezeichnen, theologisch ohnehin eher sehr als wenig lutherisch. Nur zu der Kirche und ihren Veranstaltungen fand ich kaum noch Zugänge, allen neuen Versuchen zum Trotz.

Doch dann war es genau andersrum. Dann fand die Kirche einen Zugang zu mir. Ich glaube, als erstes war es Pfarrer Pohl.
Der nicht von irgendwelchen Dingen schwafelte oder mit frommen Sprüchen um sich warf. Sondern jeden Morgen treu alle die Menschen persönlich begrüßte, die er schon in seiner Timeline auf Twitter gesehen hatte. Sozusagen per Handschlag an der Kirchentür.
Und schließlich kam mein "alter" Pastor in meine Heimat. Wie es seine Art ist, auch in der Kohlenstoffwelt seine Art ist, etwas lauter, ein bisschen mit Poltern sozusagen. Aber mit Neugier und mit geraden Worten. Mit einer Sprache, die wir hier verstehen. Nicht verschwurbelt, wie die, die meine Kirche heute die Hochverbundenen nennt (was für ein beknacktes Wort übrigens), es verstehen würden oder die Esoterikerinnen, an deren Sprach- und Erlebnisraum meine Kirche so oft anknüpft (was ironischerweise dazu führt, dass kirchlich hochverbundene Gruppen im Wortsinne auch esoterisch sind, also eingeweiht in die - in diesem Fall - sprachlichen Mysterien).

Wie niemand anders in den letzten Jahren hat Peter Fahr mir so tatsächlich wieder eine Tür geöffnet. Und mich eingeladen, zu ihm zu kommen, wenn ich möchte. Ohne mir einen Vorwurf zu machen, wenn ich es nicht tue. Höchstens mal mit einer sanft-strengen Mahnung, dass ich jederzeit willkommen sei.

Er interveniert auf Twitter oder Facebook, wenn er findet, dass ich zu streng mit Menschen bin. Er fragt nach, wenn ich in Szenejargon verfalle, vielleicht weil er sensibel für den Jargon seiner eigenen Szene ist und den vermeidet. Er widerspricht und begründet. Er mischt sich ungefragt ein, ohne übergriffig zu werden. Auch wenn ich mir am Ende seines Sabbaticals hin und wieder gewünscht hätte, dass er endlich wieder zurück in die Gemeinde geht und weniger Zeit für uns in diesem Lebensraum hier hat.

Ihr seht: Ich mag ihn. Und das macht mich vielleicht ein bisschen offener. Aber noch mehr mag ich, wie er im digitalen Teil meiner Heimat umsetzt, was eine gelingende missionarische Volkskirche heute überall versucht: da zu sein, die Tür sichtbar zu öffnen, einzuladen, aber nicht in meinen Tanzbereich einzudringen, bevor ich sie dazu auffordere. Angebote zu machen, die niedrigschwellig sind aber nicht übergriffig.

So wie er früher im Dorf sichtbar war und mich ein-, zweimal in der Woche, wenn ich ihm bei Rewe oder im Eiscafé begegnete, allein durch die Begegnung daran erinnerte, dass ich jederzeit zu ihm kommen kann, zumal er mich - wie alle, denen er je vorgestellt worden war - jedes Mal mit Namen begrüßen konnte. So ist er heute in meinem Heimatraum sichtbar und erinnert mich, wenn ich ihn aus dem Augenwinkel sehe, daran, dass ich jederzeit zu ihm kommen kann.

In einschlägigen Untersuchungen über Spiritualität oder Frömmigkeit oder Glaubensthemen in Social Media wird er wie Pfarrer Pohl und viele andere nicht auftauchen. Weil er nicht die von den Kaspern, die zurzeit solche Studien anfertigen, ausgesuchten Stichworte benutzt. Weil er nicht mit Bäffchen rumläuft sondern mit Fliege. Weil er das Gespräch sucht und nicht die Verkündigung. Weil er mit uns lebt in dieser Welt und zu uns kommt. Und nicht nur hofft, dass wir zu ihm kommen und ihn verstehen.

Und doch ist da viel Frömmigkeit und viel geistliche Nahrung für mich und für andere. Dafür bin ich dankbar. Und dafür, dass er die Möglichkeiten, die mein digitaler Lebensraum bietet, erkundet.

Und nennt es Eitelkeit, aber zugleich zeigt dies ja doch auch, dass meine Überlegungen für eine Social-Media-Strategie der evangelischen Kirchen nicht völlig doof sind.