23.5.14

Mut zu leben

Ob es wirklich Mut ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch einfach nur Zutrauen. Oder die Sehnsucht.

Damals vor 21 Jahren, als wir, beide noch im Studium, heirateten, fanden das viele mutig. Zumal die, die wussten, dass dieses ein Schritt war, der für uns nur eine Richtung kannte. Wir kommen beide aus einem religiösen Zusammenhang, in dem es so etwas wie Scheidung nicht gibt. In dem so etwas wie eine Ehe ein Leben lang gilt. In dem so etwas sehr endgültig für diese Welt ist. Wo Zutrauen in die Zukunft und ein sich völlig Einlassen nicht nur so daher gesagt ist.

Damals vor 19 Jahren, als wir, beide am Ende der Studiums, am Schritt in die Berufsausbildung, ein Kind wollten und provozierten, fanden das viele mutig. Weil wir zwar irgendwie auf eigenen Füßen standen, aber noch keinen Beruf hatten und nur so ungefähr wussten, was das Leben für uns bereithalten könnte. Andererseits: wer weiß das schon wann. Und wann besser als wir damals.

Das Zutrauen hat uns dann dahin gebracht, ins Leben zu gehen und das Leben zu leben.
Mut zu leben.

Damals vor knapp 18 Jahren, als ich die ersten Schritte aus dem Volontariat in die Redaktion machte und wir fanden, dass Paar mit Kind eher nicht unsere Perspektive sein sollte sondern Familie, fanden das viele mutig. Vor allem die ohne Kinder. Aber wir hatten das Zutrauen. Zumal Primus, wie ein Freund damals sagte, der nie Kinder wollte und nie welche bekam, irgendwie auch eine Werbeveranstaltung für Kinder war, so friedlich und Mut machend auf Kinder. Und dann kam es ein bisschen anders, weil Secundus so anders war. Aber es ging, wir waren jung, wir waren müde, wir hatten ein Leben als Familie vor uns, wir machten uns auf den Weg.

Damals vor 15 Jahren, als wir beide wieder beruflich Fuß fassten, die Kinder durch den Hammer Park schoben und ein halbes Haus am Stadtrand planten, fanden uns viele mutig. Vor allem die, die der Meinung waren, eine Immobilie würde immobil machen und sei für ein ganzes Leben.

Zutrauen hat uns dahin gebracht, diesen Schritt zu gehen. Und der gemeinsame Weg mit unser engsten Freundschaftsfamilie, die mit uns gleichzeitig schon Kind und Familie begonnen hatte. Und nun auch ein Haus baute, wenn auch nicht in unserer Nähe.

Vielleicht war es dieses Zutrauen, das wir in einander hatten. Und das Beispiel, das wir uns gegenseitig gaben. Dass es gehen kann. Dass es nicht absurd ist. Dass wir es nicht einmal als mutig empfanden. Und es uns doch Mut machte.

Mehr Sehnsucht als Mut waren die Schritte zu Tertius und Quarta. Zu neuen Häusern, mal gemietet, mal finanziert. Wir hatten Zutrauen zum Leben gefasst und wussten, dass wir uns auf einander verlassen konnten. Und haben, das wissen wir heute, das war uns damals nicht so bewusst, anderen Mut gemacht. Das waren immer die schönsten Komplimente, die ich bekommen durfte: wenn jemand sagte, unser Leben habe ihr Mut gemacht. Zum eigenen Kind, zur Beziehung, zum Leben.

Neulich sagten wir zu Freunden, deren ältestes Kind in die Pubertät kommt, dass es lohne, sich daran zu gewöhnen, weil es so für mindestens zehn Jahre bleibe. Sie lachten es weg, weil sie sahen, dass wir immer noch leben. Mit drei Jungs in der Pubertät.

Vielleicht ist es mutig, der Sehnsucht und dem eigenen Zutrauen nachzugeben. Aber der Lohn ist ein Leben, das sich nicht so anfühlt, als würde ich etwas verpassen. Und das nicht wartet.

Mir übrigens machen meine Großeltern Mut, die beide dieses Jahr 89 werden und seit mehr als 68 Jahren jede Nacht Hand in Hand einschlafen.

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Teil der #mutmachparade vom mutmachenden Johannes Korten, den ich so sehr schätze für alles, was er macht und schreibt und erzählt.

1 Kommentar:

  1. Wunderbarer mutmachender Beitrag zur Mutmachparade. Ich habe ihn sehr gern gelesen! Danke!

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