25.2.14

Aus den Fugen

Früher war alles so einfach. Da gab es gute Guerillas und Befreiungsbewegungen. Und klare Zuordnungen. Und von ein paar Nazis abgesehen, demonstrierten die, die für mehr Freiheit und so was waren.

Und heute bezeichnen sich die Nachfolger derer, die für den Tod Rudi Dutschkes verantwortlich sind,  als APO und machen eine Establishment-Kampagne draus. Faseln die Privilegierten und Reichen, die alten weißen Männer und so, davon, dass sie einem Gesinnungsterror ausgesetzt seien und man das ja wohl noch mal werde sagen dürfen.

Da demonstrieren Anhängerinnen der alten Eliten in Thailand und versuchen zu verhindern, dass eine gewählte Regierung wieder gewählt werden kann. Und werden in der Berichterstattung nicht allzu selten in einem Atemzug mit Leuten genannt, die sich von Diktaturen befreien.

Es ist schwer geworden, zu unterscheiden. Ob eine engagierte Bevölkerung sich gegen eine Gewaltherrschaft weht und einen arabischen Frühling erlebt. Oder ob Angehörige der Mittel- und Oberschichten gegen eine demokratisch gewählte Regierung vorgehen, die die krasse Ungerechtigkeit im Land verändert (hat), so dass die Oberschichten nicht mehr ganz so oben sind im Vergleich. Vielleicht ist es also auch richtig, dass die versuchte Revolte von Rechts in Venezuela in den Medien hier kaum Widerhall findet.

Es gibt kein klares Gut und Böse mehr, das allein an den Taten und am Oben und Unten abzulesen wäre. Wodurch die eine resigniert und der andere in Zynismus abgleitet. Und eine engelgesichtige korrupte Mitt-50erin eine Heldin abgibt. Und reiche Jungs und Mädchen, die um ihre Privilegien fürchten, als Befreiungsaktivistinnen gelten.

Manchmal macht mich das müde. Und bringt mich dicht an Resignation oder Zynismus. Aber andererseits will ich meinen Kindern keine Welt hinterlassen, die so aus den Fugen ist. Und in der die Menschen und Medien um mich herum ihren Kompass verloren haben.

13.2.14

Ihr Medienbranchen-Jammerlappen

Mein Gott habe ich mich geärgert über die
die ich Montag in der HuffPost lesen musste. Darüber, wie die Generation Y den Arbeitsmarkt revolutionieren wird.

Eigentlich wollte ich direkt nach dem zweiten Absatz aufhören zu lesen, in dem dieser bemerkenswerte und historisch ungebildete Satz steht:
Und haben sich so den Spitznamen "Generation Y" eingefangen - weil sich Y im Englischen wie das Fragewort "Why" spricht.
Nein, lieber Tobias Fülbeck, sie heißt so, weil sie die Generation nach der Generation X ist und weil das Y nach dem X kommt. Aber wahrscheinlich hast du Douglas Couplands Bücher nie gelesen (darum hier der Link auf den Wikipediaartikel über diesen Autor) und nie die Kohlzeiten und die Reaganomics erlebt.

Und auch sonst ist mir nicht ganz klar, wo der Kollege lebt und arbeitet. Und ob er schon jemals in einem Unternehmen war. Oder Leute aus - sagen wir mal - Versicherungen oder Sanitärfachbetrieben kennt. Oder ist es mit diesem "die Generation Y wird alles revolutionieren" Gesülze vielleicht so wie damals mit der "Generation Praktikum", die es außerhalb der Gruppe von Menschen, die was mit Medien machen wollten, nicht gab? Die also zwar von Medienschaffenden nicht erfunden wurde, aber aus ihrer individuellen Erfahrung unzulässig für die auch auf andere zutreffende Realität gehalten wurde?

Jedenfalls wird dann ein Popanz aufgebaut, den es schon lange nicht mehr gibt. Um ihn mithilfe der Generation Y dann scheinbar umzubringen, obwohl er schon lange tot ist. Lustiger rhetorischer Trick. Aber irgendwie auch billig.
Die Bewerbungsgespräche der Zukunft werden anders verlaufen. Arrogante Bemerkungen wie „Warum sollten wir bitte ausgerechnet Sie in unserem Unternehmen einstellen?“ können nach hinten losgehen. 
Ach nee. Wer stellt denn solche Fragen? Dass sich hier was geändert hat, hat ja nun wirklich nicht mit dieser neuen Generation zu tun - sondern eher damit, dass schon die 68er und die Generation X dies nicht mehr ertrugen. Und beide heute die Vorgesetzten stellen.

Ähnlich ist der Bullshit, den Fülbeck über den angeblichen Bullshit von der Work-Life-Balance schreibt.
Die Mitarbeiter werden sich ihren eigenen Stundenplan machen. Sie haben kein schlechtes Gewissen, wenn sie auf der Arbeit mit ihren Eltern telefonieren oder wenn sie mittags zwei Stunden joggen gehen. Die Arbeit wird nachgeholt. Und sie bestimmen wann.
Ja, Hammer aber auch. So ist das in Bürojobs im Umfeld von kreativen Branchen und im Vertrieb schon immer oder zumindest schon lange. Und meine Freundinnen, die bei Versicherungen arbeiten oder Handwerkerinnen sind, lachen über diese Idee. Ob Fülbeck weiß, an wie vielen Arbeitsplätzen in Deutschland es weder einen Internetanschluss gibt noch ein Telefon? In vielen Bereichen hochgradig arbeitsteilig gearbeitet wird oder die Kundinnen den Takt bestimmen und nicht die Chefin? Hat Fülbeck jemals irgendwas gesehen außerhalb Schule, Uni und was mit Medien?

Und dann die - wie nannte es Tapio oben so schön - Klischeekakke.
Nicht geschimpft ist schon gelobt – mit diesem Motto werden Führungskräfte in der Zukunft scheitern. 
Glaubst du ernsthaft, die Tatsache, dass dieses Motto seit rund zehn Jahren Führungskräfte en gros scheitern lässt, liegt an euch Jungen? Echt? Naja, du glaubst ja auch, wir haben euch "Y" genannt, weil es so schön nach "Warum" klingt. Hihi.

Was mich am meisten anwidert irritiert (jetzt mal abgesehen von den positiven Resonanzen, die ich zusammen mit indifferentem Link-Geteile gesehen habe) an dem Geschwurbel, das dann noch folgt, ist das Pathetische, mit dem die Realität in - siehe oben - Firmen mit kreativnahen Bürojobs, wie sie seit Jahren oder gar Jahrzehnten besteht, als glorreiche Zukunft beschrieben wird. Geht's noch? Das ist nicht die Zukunft, auf die wir Alten uns aufgrund einer verwöhnten, anspruchsvollen "Premium"-Generation einstellen müssen. Sondern das ist das Bett, das wir erkämpft haben und in das ihr euch legen könnt. Wenn wir euch mit eurer Anspruchshaltung darin haben wollen und nicht lieber unsere Firmen schließen, bevor die Heipopeis sie kaputt machen. Oder so. Aber genau das hat auch die Generation meiner Großeltern (für die von euch, die lesen können: das waren die, die als junge Erwachsene aus dem Krieg kamen und von denen man sagt, sie hätten dieses Land wieder aufgebaut, was aber nur die halbe Wahrheit ist, aber das ist eine andere Geschichte) über die Generation meiner Eltern gesagt und erst Recht über meine. Kann also alles noch werden.

Und irgendwie habe ich darum auch keine Lust mehr, mich mit den weiteren vielen Allgemeinplätzen zu beschäftigen, die der Autor dann noch hinterherschiebt. Die Hälfte ist bereits Realität, die andere Hälfte wird auf den größten Teil der Menschen nie zutreffen, weil sie nicht in dieser was mit Medien Blase gefangen sind.

Nur zwei Dinge noch.

1. Wer glaubt, Alumni-Dingens seien was Neues. Oder glaubt, entspannte Trennungen in der Arbeitswelt und Selbstbewusstsein von guten Leuten sei etwas, das überraschend wäre. Ist. Etwas. Dumm.

2. Es ist das Privileg der Pubertät, alles selbst zu entdecken, was andere vorher auch schon entdeckt haben, und es für neu und bahnbrechend zu halten. Es ist sogar wichtig, dieses in der Pubertät zu tun. Wenn jemand dann erwachsen wird, reflektiert sie dieses Erleben und Entdecken mithilfe dessen, was gut dokumentiert vorher war. Ordnet sich ein in die Geschichte, findet den gegenwärtigen Ort. Was nichts mit Ruhe und Zufriedenheit zu tun hat sondern nur damit, die Krümmung der Lernkurve zu steigern. Das ist ja auch der vielleicht wichtigste Aspekt des "Erwachsenwerdens". Niemand zwingt irgendwen erwachsen zu werden, siehe Neo. Aber dann beschwert euch nicht, wenn euch auch niemand so behandelt, als wäret ihr erwachsen.