29.11.13

Demut

Kinder und Pferde machen demütig. Mich jedenfalls. Anderen wird es vielleicht mit anderem so gehen. Aber Kinder und Pferde erinnern mich immer wieder daran, wie zufällig so vieles ist, wie wenig binär, eindeutig, plan- und beherrschbar.

Manchmal frage ich mich dann, ob all die Leute, die beispielsweise technikpositivistisch sind oder technokratisch, keine Kinder haben oder keine Zeit mit ihnen verbringen. Oder woher sonst die Vorstellung kommen mag, das Leben, die Gesellschaft, das Netz, die Politik oder was auch immer durchplanen zu können. Ob es wirklich und ernsthaft Menschen geben kann, die sich nicht nur einzureden versuchen (ob aus Schwäche und Unsicherheit oder aus Kalkül), sie könnten die Zukunft vertraglich regeln oder die Funktionsweise von irgendwas mit Menschen oder der Natur mithilfe von Gesetzmäßigkeiten erklären und vorhersagen.

Witzigerweise habe ich noch nie eine Naturwissenschaftlerin getroffen, die das Konzept "Naturgesetz" für ihren Expertisebereich für existent gehalten hätte. Sondern allenfalls für eine Näherung, die so lange plausibel ist, bis sie widerlegt wird. Nur die Vulgärvariante von Wissenschaft in der Schule scheint dieses immer noch zu vertreten, wenn ich das richtig mitbekomme bei meinen Kindern.

Wildes, unbändiges Leben ist das, was wir jeden Tag erleben, erdulden, uns daran erfreuen, wenn wir mit Kindern unser Leben verbringen. Oder mit Pferden. Nur Wesen, die wir gebrochen haben, ergeben sich in die Beherrschbarkeit, auch das aber immer sozusagen auf Abruf. Denn irgendwann werden sie aufgrund ihrer seelischen oder emotionalen Deformation und eben der Tatsache, dass wir sie zerstört haben, doch wieder ausbrechen.

Menschen, die von Gesetzmäßigkeiten reden oder die Zukunft für planbar halten, sind mir suspekt. Und solche, die von "Alternativlosigkeit" faseln, machen mir Angst. Denn beide sind gefährliche Technokratinnen. Und beide können nicht mit der Gegenwart und der Zukunft umgehen. Oder haben es noch nie versucht. Und werden scheitern, wenn sie mit dem Leben konfrontiert werden.

Denn wenn du dann mit dem wilden, unbändigen Leben zu tun hast, wirst du leise und demütig. Mir geht das immer wieder so. Und wenn es gut läuft, ist es eine Demut, die mich frei zum Handeln macht. Im Sinne Luthers großem Satz aus seiner größten Schrift (de servo arbitrio) pecca fortiter sed fortius crede. Oder Karl Barths wunderbarer Übersetzung dieses Gedankens, die über meinem häuslichen Schreibtisch hängt: Die einzig mögliche Antwort auf die wirklich gewonnene Einsicht in die Vergeblichkeit alles menschlichen Werkes ist, sich frisch an die Arbeit zu machen.

8.11.13

Sehr allein

Die Frage der Vereinsamung in Gesellschaft ist nicht neu. Schon in meiner Jugend in den 80ern sind Menschen mitten in Großwohnsiedlungen einsam gewesen. Auch die Frage der maximalen Größe menschlicher Gruppen ist nicht neu. Beispielsweise habe ich mich in den 90ern viel mit "emerging church"-Projekten beschäftigt und der Frage, wieso und wann beispielsweise freikirchliche Gemeinden sich teilen. In der Regel, wenn mehr als fünfzig Familien oder rund 150 Menschen zusammen kamen.

Für jede Generation hat dieses Thema eine neue Relevanz und einen neuen Ort. Für diese hat Sherry Turkle dazu gearbeitet und mit Alone together auch das Buch geschrieben (das ich bisher nicht gelesen habe). Und dieser kurze Film fasst es wunderbar zusammen. Insbesondere, weil ich denke, dass es weitgehend stimmt. Womit wir im Kern wieder bei meinem Lieblingsthema rund um die so genannte Generation Y sein könnten, aber das ist dann doch irgendwie auch wieder eine andere Geschichte.