23.3.12

Der Ekel vor dem s

Jede hat ihren blinden Fleck. Etwas, das, gegen alle vermeintliche Vernunft, den Kragen platzen lässt und wo, wie meine Frau es formulieren würde, Toleranz eben mit z endet. Bei mir sind es drei Kleinigkeiten, über die ich schwer bis nicht hinwegsehen kann: falsche Kommata, der falsche Gebrauch von Fremdwörtern - und das Lispeln.

Es ist nicht so, dass ich froh darüber bin, denn es ist schmerzhaft, weil es dir überall begegnet. Aber mich ekelt Lispeln, es löst bei mir tatsächlich körperliche Schmerzen aus. Vielleicht, weil ich mein Leben lang gesungen habe und eine Sprechausbildung genießen durfte, vielleicht, weil ich mit Dagmar Ponto eine wirklich sehr, sehr gute Sprechtrainerin hatte (deren größter beruflicher Erfolg wohl diese eine bauernschlaue lispelnde Ikone der 90er ist, die sie bildschirmtauglich gemacht hat). Vielleicht, weil meine Frau Sprachheilpädagogin ist und ich schon früh wusste, dass kaum ein Sprechfehler so einfach und erfolgreich therapierbar ist wie eben das Lispeln. Ich kann schon Ulrich Wickert nicht zuhören, bei dem viele andere noch nicht mal hören, dass er lispelt.

Meine These ist, dass es eine Zumutung ist, jemanden mit diesem mit etwas persönlicher Anstrengung so gut behebbaren Sprechfehler ins Fernsehen zu lassen. Dass selbst eine mögliche thematische oder gar intellektuelle Brillanz nicht rechtfertigt, jemanden Lispelndes auf ein Podium zu holen oder einen Vortrag halten zu lassen. Sollen die schreiben oder eben eine Sprechtherapie oder Sprechausbildung machen, wenn sie unbedingt öffentlich reden wollen.

Ein weiteres Problem ist entstanden mit Tonabspielgeräten mittlerer Qualität, bei denen s-Laute, die noch nicht gelispelt sind aber unsauber und mit mehr Zischen als üblich versehen, zu einem Lispeln werden in den Ohren der Zuhörerin. Das werde ich wohl ertragen müssen, auch wenn es mich quält.

Heute morgen begann ich voller Vorfreude das Audiomagazin der aktuellen Ausgabe der "Zeit" - unter anderem, weil die "Zeit", ganz anders als die "brand eins" in der Audioversion, die grausame Pausen in den Sprechfluss geschnitten hat, normalerweise wirklich gut gesprochen und gut produziert ist. Und dann wird schon das Inhaltsverzeichnis von einer neuen, recht jungen Stimme gesprochen, die unerträglich lispelt. Der Schock war körperlich. Und das hektische Wechseln der Kopfhörer und der Einstellungen des im iPhone eingebauten Equalizers (jaja, ich weiß) halfen nichts.

Und selbst bei Kindern ist lispeln nicht niedlich. Übrigens.

1 Kommentar:

  1. Gut zu wissen. Nicht dass ich Sie auf dem Markt oder so mal anspreche und Ihnen dann der Tag verdorben ist. Hmmh, aber wenn das so einfach ist, werde ich doch nochmal forschen und mich um Besserung bemühen. Manchmal braucht man ja so einen Anstoß...

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