21.7.11

Der ganze Mensch

Ich weiß nicht mehr, wann es war, aber mein "erster Mahler" war die Dritte Symphonie. Ich war 14 oder 15, schätze ich. Und es war in der Hamburger Musikhalle, gemeinsam mit meinen Eltern, wir saßen im Parkett. Sie kannten ein bisschen Mahler von den großartigen Mahlerballetten Neumeiers, nahmen mich mit. Und mir ging es so, wie es in dieser wunderbaren Szene aus Pretty Woman über die Oper heißt:



Thema von Gustav Mahlers Musik ist immer "der ganze (also fühlende, denkende, atmende, leidende) Mensch", schrieb er selbst in einem Brief. Und seine Musik ergreift auch den ganzen Menschen. Bis heute gibt es kaum andere Musik, die solche tiefen Empfindungen in mir auslöst wie die Gustav Mahlers. Und das, obwohl ich mir merkwürdigerweise immer noch einige seiner Werke (vor allem das Lied von der Erde) aufgespart habe, noch nie gehört. Nur gelesen.

Für mich beginnt Musik, die mich wirklich in der Tiefe meiner Seele (wenn ich das mal so pathetisch sagen darf) berührt, recht eigentlich mit Mahler. Einige wenige vor ihm wie Gesualdo oder ein kleines bisschen was von Beethoven (vor allem späte Streichquartette, wenn sie gut gespielt sind, was leider sehr, sehr selten ist, eigentlich mag ich nur die Version des Alban Berg Quartetts) hin und wieder. Bachs Motetten (einige). Aber erst mit Mahler kommt das, was er selbst "Empfinden" nannte (was nichts mit Stimmung zu tun hat sondern mit Tiefe), in die Musik. Zumindest so, dass es bei mir ankommt und etwas zum Schwingen bringt.

Es wäre ja nicht so, dass es danach noch massenhaft außerordentliche Musik gäbe. Aber doch immer wieder. Ligeti ganz besonders. Immer wieder Gubaidulina, die ich in Hitzacker auch kennen lernen durfte. Einiges von Alban Berg.

Aber angefangen hat es mit Mahler. Bei mir. Und mit der Musik. Für andere ist er das Ende - in dem Sinne, dass er der letzte der klassischen Musik ist (so wie für mich der erste der neuen Musik). Zurzeit lese ich wieder die Bücher von Mahrendorff, die eine einzige Hommage an Mahler sind, wie er selbst sagte. Und eine kurze Biografie. Und Interpretationen. Zumal Mahlers Zeit ohnehin spannend ist als erste Hälfte der klassischen Moderne und zugleich als diese dekadente Zeit der Weltenwende, die in dieser europäischen Katastrophe von 1914 endet.

Heute höre ich Mahler anders als damals in den 80ern. Vielleicht, weil ich nun aus der Pubertät raus bin. Vielleicht, weil ich ein bisschen was erlebt habe inzwischen. Oder was weiß ich. Aber so, wie ich damals, 1988, kurz nach Gründung, in die Gustav Mahler Vereinigung Hamburg eintrat (und dann nach irgendeinem Umzug verloren gegangen bin), bin ich im Grunde geblieben: ein glühender Verehrer seiner Musik.

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