13.3.11

Kurze Anmerkungen zur deutschen Atomdebatte

Vorweg: Ich finde den Fokus der gestrigen Brennpunkt-Sendung auf die Frage, ob durch den Atomunfall in Japan auch Deutschland gefährdet sei, pervers. Verdammt: Die Japaner sind gefährdet und richtig schlimm dran. Denen gelten meine Gebete und die meiner Kinder - lasst die Phantomdebatte um Folgen für Deutschland und Europa, bitte. Darum geht es nicht, auch nicht in der neu-alten Atomdebatte hier. Es ist grauenvoll, was in Japan passiert ist und passiert. Punkt.

Was mich erschreckt hat an der neu entfachten Debatte um Atomkraft (obwohl, neu entfacht? In meiner Wahrnehmung war sie nie abgeflaut, seit die Regierung den Atomkompromisskonsens einseitig aufgekündigt hat), ist die Schlichtheit einiger Argumente, die ich nicht nur auf Twitter von der Proatomfraktion gehört habe. Ich denke, dass es gute Argumente für Atomkraft geben kann. Persönlich halte ich die Risiken für zu groß als dass die Pro-Argumente ziehen, aber das kann man anders sehen.

Nur: Das neue mantraartige Standardargument der letzten zwei Tage war: Deutschland und Japan seien nicht vergleichbar, hier gebe es nicht das gleiche Erdbebenrisiko.

Leute, das bestreitet doch niemand - nur darum geht es gar nicht.

Was gerade passiert ist, ist, dass für viele Jüngere erstmals oder Vergessliche wieder bewiesen wurde, dass die Atomfraktion lügt, wenn sie behauptet, Atomkraft sei beherrschbar. Wenn innerhalb von gut 30 Jahren drei große, nicht beherrschbare und nicht beherrschte Unfälle passieren, dann sollten auch die Befürworter der Atomkraft als Energiequelle nicht mehr behauptet, dass das Risiko überschaubar und die Konsequenzen von Unfällen beherrschbar seien. Man kann dann immer noch für Atomkraft sein - aber dann bitte so, dass wir uns als Land, Bevölkerung, Kontinent bewusst für dieses Risiko entscheiden. Und nicht so, dass uns vorgegaukelt wird, es bestehe praktisch nicht.

USA, Sowjetunion und Japan - die Havarien und Kernschmelzen sind ja nun nicht in der Dritten Welt passiert. Mindestens Japan ist auch technologisch und von der Sicherheitskultur mit Mitteleuropa und mit Deutschland vergleichbar.

Es geht nicht um Erdbeben. Es geht um den Ausfall von zentralen Sicherheitssystemen. Hier: Um Stromausfall und die Unmöglichkeit, Batterien und passende Anschlusskabel rechtzeitig an den Standort zu bekommen. Und das, bei aller Liebe, ist vergleichbar.



Kaum jemand mit Verstand wird den Atombefürwortern vorwerfen, dass sie nicht alles daran setzen, die Werke so sicher wie irgend möglich zu machen. Was die drei Unfälle der letzten gut 30 Jahre aber zeigen, ist, dass es immer wieder zu Situationen kommt und kommen wird, die nicht planbar sind - und in denen die Technologie außer Kontrolle gerät.

Lasst uns darüber streiten, ob Atomkraft zur Stromerzeugung eingesetzt werden soll. Gerne. Aber hört auf, uns für dümmer zu verkaufen als wir sind. Und zu allem anderen hat Martin Oetting heute morgen alles nötige gesagt.

2 Kommentare:

  1. Timo Lommatzsch13.3.11

    Sehe ich genauso. Ich hasse es ja auch immer Diskussionen führen zu müssen, bei welchen mir die Argumente des Gegenübers signalisieren: Entweder er hält mich für so dumm, das logisch zu finden und zu glauben oder er ist wirklich selber so dumm, das er es logisch findet und glaubt. Egal was von beiden, es ist keine fruchtbare Diskussion.

    In diesem Sinne, ein Ja zur Atomkraft bedeutet immer ein Ja zu möglichen bisher nicht einkalkulierten Ereignissen und vor allem ein Ja zu menschlichen Fehlern - ganz simpel, wie bei allen Projekten die man umsetzt.

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  2. Eine Anmerkung zu:

    "... Nur: Das neue mantraartige Standardargument der letzten zwei Tage war: Deutschland und Japan seien nicht vergleichbar, hier gebe es nicht das gleiche Erdbebenrisiko. ..."

    Hier muss man differenzieren.
    Die Reaktoren haben nicht genügend, bzw. keinen Strom und dadurch dann keine ausreichende Kühlung.

    Das wird in den aktuellen Debatten gerne übersehen. Überspitzt gesagt: Die Reaktoren haben ein Energieproblem und kein Erdbeben- und Tsunami-Problem.

    Erdbeben, Tsunami und sonstwas sind in Deutschland gewiss kein großes Thema, aber es gibt genügend Szenarien, wie man hierzulande einem AKW den Strom ausknipsen kann.

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