1.2.11

Zwei kurze Anmerkungen zu #jan25

I. Profilneurotiker unter sich

Ich war mir nicht sicher, wie ich die Idee von Richard Gutjahr finde, nach Kairo zu reisen, als ich darüber erstmals las. Aber je länger er da ist und es in seinem Blog dokumentiert, desto mehr sehe ich, warum er es getan hat. Thomas Knüwer hat dazu das Nötige gesagt.

Was aber gar nicht geht, sind die Profilneurotiker, die die Frage diskutieren, ob er ein "richtiger" Journalist sei. Hallo? Das sind die gleichen, die sonst immer sagen, wie toll Blogs und Blogger sind und wie wichtig und wie sehr Journalisten und klassische Medien versagen. Wisst ihr, wie egal mir ist, ob er "richtiger" (was immer das sein mag und wer immer das entscheiden können dürfen soll) Journalist ist oder nicht? Er schreibt eine Livereportage. Und zwar, bisher, eine gute. Besser als das meiste, was ich neben groben Überblicken bisher gelesen habe.

Mein erster Weg, als es in Tunesien losging, war zu meinem tunesichen Reittrainer. Mein erster Blick, wenn mich Israel aktuell interessiert, ist Lilas Blog. Und mein Augenmerk gilt jetzt dieser Livereportage. Neben den dürren Überblicken, ich bin ja nicht doof.

Legt euch mal wieder hin, ihr Bedeutungsdeuter. Pah.

***

II. Es macht mir auch Angst

Ich bin froh, dass Menschen ihr Leben in die Hand nehmen und für Demokratie, Freiheit und eine Reformation (wenn das denn so ist) streiten. Ich bin froh über jeden Despoten, der abtreten muss. Ich denke, dass hier das nordafrikanische 1989 passiert, dazu später bestimmt mal mehr.

Aber so, wie 1989 in Europa zu tollen Dingen führte und zu schrecklichen, so wird es auch "dort" sein. Ich habe Angst vor dem, was da passiert. Nicht zu viel, aber doch auch Angst. Weil die Festung Europa und die Szenarien, über die wir schon in den frühen 80ern, als die Mauern am Mittelmeer errichtet wurden, geredet haben, auf einmal da sind. Weil ich nicht weiß, was das für Israel bedeutet, was da passiert. Weil sich in die Freude die Sorge mischt.

Noch ist es diffus. Darum nur kurz notiert.

Update 3.2., 10:30 Uhr
Noch zwei Bemerkungen nachgeschoben. Zum einen bin ich froh, dass Richard Gutjahr rechtzeitig wieder ausgereist ist aus Kairo und nicht den Helden spielt - und damit all denen, die ihm genau das unterstellten und darauf hinwiesen, dass das der Unterschied zu "klassischen" Journalisten sei, Lügen straft. Darum auch hier seine Bilder vom Mobilgerät der letzten drei Tage:



Und zum anderen bin ich traurig, dass meine Angst begründet war. Das auch noch kurz erläutert: Ich meine nicht nur die Sorge, ob die Machthaber den europäischen oder den chinesischen 1989er Weg gehen, das ist in vielen Ländern noch völlig unklar. Sondern auch die Sorge, dass auch in Europa 1989 ja nicht alles superfriedlich und in die Demokratie führte. Rumänien, Jugoslawien, Belorus, Ungarn, Polen, Tschechien - die Wege waren sehr, sehr unterschiedlich und nicht überall so, wie man sich das in einer idealen Welt vorgestellt hätte. So wird es auch in Nordafrika und im vorderen Orient sein (und das hat nichts mit dem Raunen zu tun, das die öffentlich-rechtlichen TV-Sender so oberpeinlich den ein oder anderen bekannten Spinner gerade verbreiten lassen. Darum hier noch mal der Appell: Stoppt Peter Scholl-Latour und gönnt ihm seinen Ruhestand.)

2 Kommentare:

  1. Es ist auch egal, ob Gutjahr ein guter oder schlechter Journalist ist. D.h. die Antwort auf die Frage: "Ist es ok, dass er nach Ägypten reist?" ist völlig unabhängig von der Qualität seiner Berichte. @Nico (und andere) haben uns alle über ihre Urteile und Vorurteile informiert. Das ist mehr Selbstoffenbarung, als ihnen selbst lieb sein kann.

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  2. Sagen wir es mal so. Einer der größten Selbstdarsteller ist doch der Blogger an sich.
    Wir sind alle Selbstdarsteller. Das fängt auf Twitter an und hört auch in Blogkommentaren nicht auf. Wir möchten doch wahrgenommen werden und wenn dann einer mal seinem journalistischen Credo nachgeht, dann kommt Neid auf. Richards Einsatz hat gezeigt, wie der Einsatz von Twitter und Blog in einem Krisengebiet zu einem kriegerischen Thema zu ungeahnten Social Media Höhenflügen führen kann, von denen andere Selbstdarsteller nur träumen. Ich möchte keinem Neid unterstellen, aber hey, >3.000 Follower in 3 Tagen (Quelle: Twitterstats.com) ist ein Best Case, den man so schnell nicht wiederholen im Stande sein wird.

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