23.9.10

Partner und Coach statt Evangelist

Nein, ich fange nicht schon wieder an. Zu den Beratungsscharlatanan und Evangelisten habe ich schon oft genug was gesagt. Machen wir es mal positiv. Denn nach meinen Rants werde ich immer wieder gefragt: "Worauf kommt es denn nun an?"

Heute morgen hatte ich dazu ein sehr interessantes kurzes Gespräch via Twitter mit Kai Hattendorf von der Messe Frankfurt - also einem Unternehmensvertreter, der tendenziell solche Beratung einkaufen würde, wenn er sich nicht selbst gut auskennte.
(disclosure: Kai und ich kennen uns schon ewig, seit unserer gleichzeitigen Gigs bei verschiedenen dpa-Unternehmen, dann war ich mal in einem super spannenden Think Tank, den er ins Leben gerufen hatte.)

Hier der gesamte Dialog, dem nichts hinzuzufügen ist. Denn so ist es. So wird gute Beratung sein. Die Mischung aus Erfahrung im Coaching und Erfahrung in der Umsetzung, gemischte Teams aus strategischen Köpfen und jungen Wilden, Begleitung, nicht Bevormundung, Insourcing eher als Outsourcing.
(Und achtet nicht auf die Zeitangaben, ich habe nicht alle Screenshots gleichzeitig gemacht und hinterher den Dialog zusammen gebastelt. Sind übrigens Echofon für Mac Screenshots.)

21.9.10

Das leuchtet mir nicht ein

Ich bin ja als Vater von vier Kindern und Höchstsatzzahler von allem, was Kingergärten in dieser Stadt betrifft, überproportional betroffen. Und trotzdem leuchtet mir die Volksinitiative für kostenfreie Kindergärten nicht ein.

Einerseits klingt es verlockend: Kostenfrei, sechst Stunden, ab zwei Jahren - alles Punkte, von denen ich profitieren würde, zweifellos. Aber: kostenfrei stimmt ja nur oberflächlich. Denn auch der (wie immer man ihn selbst empfindet, aber trotz allem angesichts der Gesamtkosten noch) moderate Elternbeitrag muss dann aus dem Haushalt finanziert werden - und das heißt aus Steuern.

Und hier liegt ein Problem: Denn das Steuersystem ist in diesem Land grundsätzlich nicht gerecht. Faktisch (angesichts der jeweiligen Leistungsfähigkeit) bedeutete eine Steuerfinanzierung der Kindergärten, dass die Mittelschicht die Kindergärten alleine finanzieren wird, während die einkommensstärksten Gruppen faktisch entlastet werden (die Eltern, die keine Steuern zahlen, weil sie zu wenig verdienen, zahlen auch jetzt kaum Kingergartenbeiträge).

Jede Umschichtung des einkommenabhängigen Elternbeitrags ins Steuersystem kommt also eine Umschichtung der Lasten von oben nach unten gleich. Das kann nicht im Sinne von Eltern sein, die ihre Sinne beieinander haben (und schon gar nicht von Linken und SPD, die entweder schon ihre Unterstützung angekündigt haben oder noch schwimmen. Kein Wunder, dass die Neokonservativen um Scheuerl auf den Zug aufspringen, passt ihm zumindest wirtschaftlich in den Kram).

Das heißt nicht, dass ich die letzten Beitragserhöhungen nicht für einen Fehler halte, der dringend korrigiert werden muss. Aber die mittlere und untere Mittelschicht zu faktischen Alleinfinanzierern der Kindergärten zu machen, halte ich für noch falscher.

Update 22.9.
Im Verlauf der Debatte über die Initiative des LEA sind noch einige weitere wichtige Argumente aufgetaucht, die mich zweifeln lassen, dass dies der richtige Weg ist, den die Initiatoren vorschlagen. Also wenn die sozialen Gründe nicht stimmen sollten (siehe Kommentare, ich bin da auch noch unsicher), dann gibt es mindestens zwei weitere:
(1) Wenn es wirklich um frühkindliche Bildung geht, die kostenfrei und wichtig sein soll, dann muss sie auch verpflichtend sein. Kindergartenpflicht = Kostenfreiheit. Zugleich bedeutet das dann aber auch, dass anders ausgebildetes Personal nötig ist.
(2) Wenn es um sechs Stunden geht - und das fordert die Initiative als Rechtsanspruch - kann es nicht ausschließlich um Bildung gehen, sondern dann geht es eben auch um Kinderbetreuung. Und es ist zwar vielleicht wünschenswert für uns Eltern, aber schlicht nicht einzusehen, warum wir für die Betreuung unserer Kinder nicht auch einen (kleinen) Beitrag leisten sollen. Und weil das "klein" in diesem Zusammenhang so oft bestritten wird: Wo bitteschön könnte ich für 500 EUR im Monat (Höchstsatz, also als Gutverdiener) eine 12-Stunden-Betreuung für mein Kind an fünf Tagen in der Woche bekommen (mal abgesehen davon, ob das wünschenswert ist)? Wie will ich mein Kind für 21 EUR vier Wochen lang voll mit allen Mahlzeiten versorgen?

Ich denke, dass die Diskussion schief ist. Ich könnte ja auch freie Heimplätze für meine Großeltern fordern, damit ich da nicht bei Pflegestufe 3 noch 2.000 EUR im Monat zubezahlen muss (meine Großeltern, so sie noch leben, sind noch nicht pflegebedürftig, das war nur ein Beispiel).

Es ist viel im Argen in Kindergärten und im Gutscheinsystem. Die Initiative greift aber die falschen Punkte an.

16.9.10

No logo!

Ich dachte, logo! sei eine gute Nachrichtensendung. Meine beiden jüngeren Kinder sehen die Kindernachrichten im Kika um kurz vor acht abends gerne. Vor allem Tertius, dem das auch wichtig ist. Da ich meistens Quarta parallel dazu ins Bett bringe, sehe ich es fast nie (hab jetzt aber mal den Podcast abonniert). Nun wollte Quarta auch mal wieder und ich hab mich daneben gesetzt. Und mich richtig geärgert über die logo!-Sendung gestern abend.

Drei Themen - eines aktuell, eines willkürlich und eines alt, dazu Wetter und was Buntes. Und über alle Teile konnte ich nur den Kopf schütteln.

Haushaltsdebatte
An sich klasse, dass logo versucht, Kindern zu erklären, was im Bundestag passiert. Aber der gesamte Unterton der Moderatorin und des Beitrags aus dem Parlament war von Verachtung geprägt - was am Ende im Tierklamauk noch mal aufgegriffen wurde. Wir lernen: Politiker sind Idioten, die sich streiten um des Streitens willen. Ich mag Politikverachtung nicht, selbst wenn ich persönlich viele aktive Politiker anstrengend finde.
Der Hammer war aber das Erklärstück, was denn der Haushalt sei und warum darum gestritten wird. Neben einem sachlichen Fehler (Regierung statt Parlament beschließe den Haushalt und streite sich - was ich wirklich schlimm finde, weil schon viele Erwachsene nicht wissen, was der Unterschied zwischen Parlament und Regierung ist, das aber in einer und für eine Demokratie echt wichtig wäre) hat mich das wirklichkeitsfremde und patriachale Familienbild wirklich geärgert: Leon (soviel zur Zielgruppe von logo) hat einen Vater, der arbeiten geht, und eine Mutter, die einkauft. Na toll. Quer zu allen Schichten und Klassen ist das ja nun wirklich nicht mehr Realität - und kommt mir nicht mit Vereinfachung. Was lernen meine Kinder? Mama geht nicht arbeiten und Papa nicht einkaufen. Beides stimmt nicht.

Tigersterben
Ok, ein Kinderthema. Etwas banal aufbereitet, etwas erratische Bilder (wieso Jäger in sovjetischen Uniformen?), etwas ziellos am Ende. Aber in Ordnung so weit, finde ich.

Vulkanasche und Flugzeuge
"Ey, das kenn ich schon, das war früher mal bei pur plus", sagte Tertius - und sogar Quarta konnte sich daran erinnern. Ja, gestern war (sagt logo) eine Konferenz auf Island, wo es um das Thema ging, aber so völlig aus dem Off? Mit einem Beitrag, den meine Kinder schon kannten? Finde ich für eine Nachrichtensendung echt schwach. Auch wenn der Beitrag selbst ja gut ist.

Bis gestern dachte ich, logo ist echt gut. Höre das auch von Freunden, deren Kinder es sehen und denen es gefällt. Vielleicht hatte ich Pech, darum werde ich mir die nächsten Tage den Podcast ansehen. Aber diese Sendung hat mich wirklich geärgert, sagte ich das schon?

9.9.10

Und dann war ich offline

Ich wollte noch was schreiben, dazu, wie es war, mal wieder wirklich offline zu sein für zwei Wochen. Als ich im August Urlaub hatte. Und dann war ich wieder online und hab es verdrängt. Aber da Stephan Uhrenbacher gestern seine Erfahrungen und Schlüsse aufgeschrieben hat, ziehe ich nun doch noch mal nach.

Auf meiner Homepage (ja, so was hab ich wieder) nenne ich mich "realtimeweb immigrant". Obwohl ich (unter beruflichen Gesichtspunkten) dieses Echtzeitweb für überbewertet halte, nutze ich es persönlich mit großer Freude und intensiv. Deshalb war ich gespannt, wie mir das Experiment gelingen und gefallen würde. Die letzten Jahre habe ich auch im Familienurlaub immer irgendwie gearbeitet und war online - einerseits erreichbar für Mails und um dann doch noch mal in Projekte einzugreifen, andererseits via twitter, flickr, facebook.

Schritt 1: die richtige Vorbereitung
Schon über eine Woche vor dem Urlaub habe ich auf Twitter darauf hingewiesen, dass ich zwei Wochen offline sein werde. So ganz habe ich mir nicht vertraut, aber so war ich im Zugzwang. In der Agentur habe ich mit den Kolleginnen, mit denen ich an aktuellen Projekten saß, genauer besprochen, wie ich für den Notfall erreichbar sein werde (nicht per Mail, nur per SMS und dann einem Rückruf meinerseits). Zum ersten Mal habe ich bei meiner privaten Mailadresse eine Nichterreichbarkeitsnachricht hinterlassen. Im Blog und auf Facebook habe ich mich ordnungsgemäß verabschiedet. Vorbereitung ist wichtig, auch um Erwartungsmanagement zu betreiben. Wer mich länger kennt, wird zwar wissen, dass E-Mail ohnehin der langsamste Weg ist, mit mir Kontakt zu haben, aber immerhin.

Schritt 2: Das Abschalten
Am Morgen, an dem es losging in den Urlaub, habe ich Mail auf dem iPhone abgeschaltet und die Social-Media-Apps in einen Ordner gepackt und ganz nach hinten verschoben, auf den vierten Bildschirm. So waren sie irgendwie da, aber eben doch nicht in der Nähe. Alle Push-Notifications habe ich ausgeschaltet (und die meisten seitdem auch nicht wieder eingeschaltet übrigens, außer bei Sport1, Fußballs wegen). Datenroaming habe ich vorsichtshalber gleich mal deaktiviert, so dass auch nicht aus Versehen irgendwas durchgestellt wird, ebenso die Wifi-Funktion - nicht, dass ich durch ein in Dänemark ja durchaus nicht unübliches öffentliches Wifi in Versuchung geführt werde.

Schritt 3: Der Entzug
Ich war mir nicht sicher, wie ich reagieren werde. Denn bisher habe ich es zwar oft so gemacht, dass ich den "großen Rechner" das ganze Wochenende aus hatte, aber so ganz ohne Datenverbindung? Höchstens mal am Reitwochenende in Hochfeldhufe, weil das Telekomnetz da keinen Empfang hat, ha. Und ja, klar, ich hab auch immer mal einen Tag lang nicht getwittert oder so. Aber vor zwei Wochen hatte ich irgendwie Angst. Aber ich hatte es versprochen - meiner Süßen und meinen Kindern (denn die durften auch keine DVDs mitnehmen und keinen DS, außer für die Fahrt).

Am Überraschendsten war für mich, dass ich zwar an den ersten zwei Tagen immer mal dachte, dass ich mich ja hier einchecken könnte (hey, ich wäre Mayor von allen Orten auf Læsø), dass ich dies oder das twittern könnte - dass genau dies aber nachließ. Und weil ich die meiner Süßen eigentlich abgetrotzten Ohrstöpsel (für die Hörbücher auf dem Weg zum Bäcker oder mit dem Hund morgens früh) zu Hause vergessen hatte, lag das nun zum Telefon degradierte iPhone als Wecker und Taschenlampe neben meinem Bett - und wurde nur ein, zwei Mal am Tag für den SMS-Check eingeschaltet. Insofern ging der Entzug leicht.

Schritt 4: Das Nippen
Und dann war ich doch einmal online. Einer Freundin hatte ich versprochen, einen Text für sie zu verfassen, das hatte ich nicht rechtzeitig abgeschickt. In Vesterø also ein offenes Wifi gefunden, die Mail abgeschickt - und dabei diesen einen Tweet statt Karten geschickt und mich einmal bei Latitude finden lassen, damit im Blog sichtbar ist, wo ich bin. Geschafft, nicht auf die Twitter-Replys zu gucken, die in der Zwischenzeit aufgelaufen waren. Beim notgedrungenen Ausflug aufs Festland dann noch einmal online gewesen, die Fähre hat ein offenes Wifi, aber Twitter und Facebook und sogar Foursquare keines Blickes gewürdigt. Fein, geht doch.

Schritt 5: Das Zurückkommen
Zurück in Hamburg habe ich alles wieder eingeschaltet, die Social-Media-Apps weiterhin in einem Ordner gelassen, aber auf dem ersten Homebildschirm immerhin. Wieder losgelegt. Aber: Ähnlich wie Stephan es in seinem Post beschreibt, habe auch ich ein paar Dinge geändert.

Ich checke mich weniger ein. Immer noch viel, aber nur noch, wenn ich dran denke und Lust dazu habe. Ich lasse das iPhone bewusst in der Tasche, wenn ich in Gesprächen bin oder im Restaurant sitze (wodurch ich mich da auch weniger einchecke, was fast schade ist, aber damit kann ich leben). Und ich habe gemerkt, wofür ich all dieses Echtzeitdingens mag und wofür nicht. So wie das Blog ganz am Anfang (früher, als man fett noch mit "o" schrieb, 2003 und so) so etwas wie die virtuelle Raucherpause war und Twitter eine Überbrückung von Wartezeiten.

Dann hat es sich breit gemacht und immer mehr den Alltag durchzogen. Aus meinem Alltag ist es nur noch schwer wegzudenken, weil ich einen großen Teil des "white noise" und der Nachrichten und Infos, die mich privat und beruflich interessieren, daraus ziehe. Es muss und wird auch nicht aus dem Alltag rausgehen. Aber zum einen aus Teilen der Familienzeit. Und zum anderen habe ich seit dem Experiment mehr darauf geachtet, dass dieser permanente Strom aus Gesprächsfetzen nicht mehr so disruptiv ist. So wie ich auch schon lange ausgeschaltet habe, dass ich informiert werde, wenn neue E-Mails da sind.

Fasten hilft, Genuss, Essen, Trinken und so weiter bewusster wahrzunehmen. Fasten hat mir auch geholfen, genauer festzustellen, warum ich was mache, wenn ich on bin.