12.10.09

Lafontaines Strategie

Vorab muss ich wohl sagen, dass ich Oskar immer mochte. Ja, ich fand ihn feige, als er 1990 nicht den ihm von Vogel angebotenen Parteivorsitz annahm - und im Nachhinein muss man wohl zugeben, dass damit sein weiterer Weg vorgezeichnet war. Dass ich dann trotzdem wieder in die SPD eintrat, als er Ziege Scharping gestürzt hatte. Dass ich aus der SPD wieder austrat, als niemand von den "Linken" nach seiner Fahnenflucht Schröder stoppen mochte oder auch nur gegen ihn kandidieren.

Und ebenfalls vorab erinnere ich mich noch gut an ein langes Gespräch mit meinem Freund (ja, so kann ich das wohl formulieren, auch wenn es immer so war, dass ich zu ihm, der mehr als 50 Jahre älter ist als ich, aufgeschaut habe und mich extrem freute, als er sich nach dem Tod meiner Mutter nach vielen Jahren, die wir uns nicht gesprochen hatten, bei mir meldete) Alfred Schulz über die Frage einer linken Alternative zur SPD. Wir gehörten damals beide zum linken Flügel der Partei und unmittelbar nach Engholms Abgang gab es schon einmal Überlegungen, eine Partei links von der SPD zu gründen - Alfred sagte damals hellsichtig, dass es nur gehen würde, wenn es, beispielsweise durch den Wechsel von prominenten Abweichlern, eine Chance auf eine gewisse Größe gäbe.


Nun aber zu Lafontaine und dem Parteienspektrum nach der Jamaikaentscheidung der Grünen im Saarland.

Ich kann nicht glauben, dass er nicht wusste, was passiert, wenn er androht, sich persönlich um das Saarland zu kümmern. Ja, er schäumt jetzt, ja, er macht die große Pose, die er so liebt. Aber am Ende wird er es bewusst kalkuliert und provoziert haben. Und das ist sowohl aus linker als auch aus grüner Sicht auch sinnvoll.

Nur so, mit der Jamaika-Entscheidung, passiert mittelfristig zweierlei:
  • Die Pattsituation zwischen den beiden alten Lagern wird aufgebrochen.
  • Die Linke stabilisiert sich mit linken Grünen auf der westdeutschen Funktionärsebene und mit einigen ehemals grünen Wählerinnen.
  • Beides können wir in Hamburg beobachten:
  • Die Grünen gewinnen Stimmen hinzu, vor allem in bürgerlichen Zusammenhängen und solchen, denen es um die konkreten Inhalte geht, für die grün steht.
  • Die Linke hat einige Ex-Grüne gewinnen können, teilweise habe die sogar ihre für die Grünen gewonnenen Mandate mitgenommen.
  • Und beides (bis auf die Mandatsmitnahme) finde ich ok.

    Denn der Abgang derer bei den Grünen, für die Kompromisse an sich ja schon Teufelszeug sind, bedeutet doch vor allem, dass es immer mehr darum geht, grüne Kerninhalte in Koalitionen durchzusetzen, ohne auf ideologische Vorbehalte Rücksicht zu nehmen. Und damit übernehmen die Grünen eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem "alten" Politiksystem der BRD und dem neuen, offeneren, mehr an Inhalten orientierten Politiksystem, mit dem sich zurzeit vor allem SPD und FDP (und eben ein Teil der Linken, ironischerweise auch und gerade der Teil, der von den Grünen dahin gewechselt ist) noch so schwertun.

    Interessanterweise sehe ich bei Teilen der Linken durchaus auch genau diese Tendenz - dass es ihnen um Inhalte und die Umsetzung von Kernbereichen ihrer Forderungen geht und weniger um rituelles Gehabe. Dass Ramelow und Kaiser auf Ämter in Regierungen verzichten würden, ist dafür nur ein Indiz.

    Ich denke, dass Lafontaine das durchaus sieht, auch wenn er selbst in diese Zeit nicht reinpasst und nicht auf sein Gockelsein verzichten kann. Aber mit seiner Zuspitzung hat er der Zukunftsfähigkeit von Politik in diesem Land und von Linken und Grünen im Besonderen einen guten Dienst erwiesen. Die Linken werden sich damit stabilisieren, weit mehr als eine Regierungsbeteiligung es ihnen ermöglichte (ich denke, dass er bewusst verhindern wollte, dass die Linken an der Saar mitregieren müssen) - und die Grünen werden sich weitere Wählerinnen erschließen, ohne die meisten ihren Kerngruppen zu verlieren, wie Schläfrigeswig-Holstein eindrucksvoll zeigt.

    Insofern ein weiteres Mal Hut ab vor Oskars Strategie. Und danke, dass er ein so deutliches Votum (fast 80%) der Saar-Grünen für Jamaika ermöglicht hat.

    1 Kommentar:

    1. Eine interessante Analyse. Vielleicht ist Lafontaines Plan ja auch ein noch größerer - wie Brigitte Fehrle kühn mutmaßt?

      http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/1010/meinung/0014/index.html

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