27.9.09

Ein paar erste unzusammenhängende Gedanken zur Wahl

Ich war lange genug in der SPD, um den Tag heute als (ja, vielleicht verdient, aber doch) bitter zu erleben. Und der groteske Auftritt von Steinmünte im Willy-Brandt-Haus so kurz nach den ersten Prognosen war doch allzu durchschaubar als Versuch, die ersten Pflöcke einzuschlagen. Obwohl ich die sich dann durch den ganzen Abend ziehenden historischen Anspielungen andererseits brillant fand - die große Geschichte dieser einst so großen Partei ist das einzige, was ihr jetzt noch bleibt.
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Als ich mit dem damaligen Landesvorsitzenden der FDP in Hamburg eng zusammen arbeitete, hatte ich gewisse Sympathien für diese Partei, die immer dann gestoppt wurden, wenn mir einfiel, dass Westerwelle der Vorsitzende ist. Heute erinnerte ich mich daran, wieso das so war. Ich hab ihn ja seit Jahren nicht mehr im TV gesehen, heute reichte für die nächsten Jahre, auch wenn dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird.
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Rund 10% für die Grünen - und trotzdem nur die fünfte Kraft, das ist schon verrückt. Dass es nicht dafür reicht, die so genannte Linke und die FDP zu überholen, ist doof. Aber dass die ehemals "Kleinen" so groß sind, freut mich, über alle Parteigrenzen hinweg. Ich halte dieses Zusammenrücken der Parteien hinsichtlich ihrer Größe für eine gute Entwicklung. Die CDU bleibt noch für vier Jahre volksparteiähnlich, die SPD muss eine neue Rolle suchen, wenn sie nicht zum Traditionsverein werden will, aber die anderen Parteien sind schon in der neuen Zeit angekommen - thematisch enger, aber weltanschaulich offener als frühere Parteien. Ja, auch die Linke und die FDP würde ich da schon sehen.
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Denkbar ist, dass es eine Regierung geben wird, anders als in den letzten vier Jahren Stillstands. Die wird vieles falsch machen aus meiner Sicht, aber sie wird, mit etwas Glück, etwas tun. Um mich und meine Familie habe ich wenig Sorge - wir dürften eher zu den persönlichen Gewinnern einer FDP-Regierungsbeteiligung gehören, auch die Konzepte zu den Steuerfreibeträgen für Kinder, die die Union immer noch vor sich her trägt, würden uns persönlich nutzen. Ich denke aber, dass es schädlich für dieses Land ist, wenn Regierungshandeln Menschen wie mir die größten Vorteile bringt. Und das macht mich ein bisschen ärgerlich.
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Trotzdem besteht kein Grund, jetzt den Sand in den Kopf zu stecken.

23.9.09

Wenn sich etwas ändern soll....

... in diesem Land, dann müssen die Grünen stärker werden als die FDP. Ganz einfach:









Oder etwas ausführlicher:

Wer am Sonntag die SPD wählt, wählt faktisch die so genannte "Große Koalition", denn solange die SPD ein Bündnis mit der so genannten "Linken" ausschließt, ist eine Regierungsbildung ohne die CDU nicht möglich. Für niemanden (egal was auch meine eigene Partei dazu sagt). Wer also die CDU-SPD-Regierung klasse findet, soll ruhig SPD wählen. Einfach.

Die einzige Konstellation, die überhaupt ermöglicht, dass die Pattsituation in diesem Land, die durch die fiktive Lagerbildung ausgelöst ist, sich auflöst, wäre, wenn die Grünen - eben - stärker werden als die FDP. Denn nur dann ist (1) schwarz-gelb nicht stark genug, um allein zu regieren und (2) grün stark genug, um neue Konstellationen zu überleben.

Hamburg zeigt, dass ein Regieren jenseits der vermeintlichen Lager geht. OK, Hamburg ist nicht der Bund, aber Projekte wie eine echte Schulreform, Stadtwerke, eine umfassende Justizreform - um nur mal drei Leuchtturmprojekte zu nehmen - wären beispielsweise mit der SPD in dieser Stadt nicht mal möglich gewesen. Die Respektlosigkeit, mit der Sozen mit Koalitionspartnern umzugehen pflegen, die sie als natürliche Anhängsel sehen, ist ja bereits legendär. Die Kompromissbereitschaft der CDU überraschend.

Mit der Erfahrung von Hamburg im Rücken mag vielleicht sogar die FDP ihre Optionen noch einmal überdenken - aber auch das wird nur möglich, wenn die Grünen stärker sind als die FDP, sie also andernfalls in die Bedeutungslosigkeit zu sinken droht. Allerdings so ganz in echt? Da halte ich die von der SPD und Teilen der Grünen so sehnsüchtig beschworene Ampel nicht nur für unrealistisch - sondern auch für weniger wünschenswert als schwarz-grün. Zur SPD siehe oben, zur FDP erübrigt sich jeder Kommentar. Die FDP zu verhindern, sollte das vorrangige Ziel dieser Wahl sein.

Egal wie: Vor der Landtagswahl in NRW gibt es keine realistische Machtperspektive für eine Regierung ohne die CDU. Und da die Bilanz der CDU-SPD-Regierung weniger als mager ist, wäre es lohnend, auszuprobieren, ob die Grünen der CDU eine sinnvollere und bessere Politik abtrotzen können als die SPD. Wiederum: Hamburg ist ermutigend für dieses Ziel.

Und angesichts der faktischen Äquidistanz der Grünen zu CDU und SPD ist mir fast schon egal, wer unter uns Bundeskanzlerin wird.

22.9.09

Denkt ihr schon oder feiert ihr noch?

Was ich mich seit ein paar Tagen frage: Ist es eigentlich ein Zeichen von Naivität, Dummheit oder einfach nur pubertärer Besoffenheit ob der eigenen gefühlten Bedeutung, was rund um das groteske JF-Interview und die noch groteskere Erklärung des Piratenfunktionärs passiert? Oder war die Gramschi-Lektüre der Neuen Rechten in den 90ern doch noch erfolgreicher, als ich dachte?

Naja, es ist alles dazu gesagt.

21.9.09

Das Märchen von den Nerds

Irgendwie schreibt Jens Scholz immer wieder die großen Artikel, die im Grunde vollständig zitiert werden müssen. So wie gestern mal wieder mit seinem Nerd-Beitrag als Antwort auf Schirrmachers länglichen und wie immer etwas verschwurbelten Nerd-Beitrag.

Ja, was Jens da schreibt, ist subjektiv. Aber wir sind ungefähr ein Alter und ich fühle mich - nicht in allen Details, aber doch im Prinzip - an mich erinnert. Und das, obwohl ich kein Nerd im engeren Sinne war. Sondern eher so:
Klar, wir saßen zwar immer etwas abseits, das lag aber weniger daran, daß wir Angst vor Menschen hatten sondern daran, daß wir z.B. in Ruhe lesen oder über ein interessantes Thema reden wollten. Das macht man halt nicht in Gruppen pubertär herumschnatternder Cliquen. Ich habe mich dabei auch nie ausgegrenzt gefühlt. Klar konnten andere eventuell nicht so viel mit den Themen anfangen, die ich toll fand, aber wenn ich mir den Blick von euch Nicht-Nerds auf uns so betrachte, scheint ihr zu glauben, wir hätten darunter gelitten. Haben wir nicht. Wir haben es noch nicht einmal bemerkt, für uns war das eine gegenseitige Toleranz: Wir haben uns nicht für Fußball interessiert, warum also sollte sich jemand mit unseren Interessen beschäftigen, wenn er damit nichts anfangen kann?

(Jens Scholz)
Computer waren nix für mich damals, sie waren mir selbst irgendwie zu langweilig (und meine Eltern haben, wie ich ja immer wieder zum Besten gebe, auf meinem Rücken den Kulturkampf gegen Computer geführt, obwohl wir einer der ersten Haushalte mit BTX waren, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe aus einer Kombination aus Lego, Bauklötzen, dem alten Plattenspieler meiner Eltern und meinem Kassettenrekorder eine stylische Kompaktanlage gebaut und mit dem Schmeil-Fitschen Pflanzen bestimmt. Alle Dostojewski-Romane gelesen und so was wie Kampf um Rom oder Krieg und Frieden. Ich wusste alles über die Römer, konnte lateinische Stehgreifreden halten und hatte zu allem eine Meinung.

Ja, ich war irgendwie ein Nerd, auch wenn ich mich bis gestern eher als intellektuellen Snob bezeichnet habe. Aber abgesehen davon, dass ich keinen Aktenkoffer hatte, sondern bis zum Abitur mit meinem roten Scoutranzen aus der ersten Klasse rumlief, finde ich mich in Jens' Beschreibung wieder.

Lesebefehl, falls ihr es noch nicht getan habt.

Was mach ich bloß mit TV?

Und das mir, wo ich doch immer so stolz bin, dass ich quasi nicht mehr fernsehe, außer hin und wieder bei Wahlberichterstattung und bei Sport. Aber ich lebe ja nicht allein, und darum stellt sich nun, da die Detailplanungen zum neuen Haus weit fortgeschritten sind, eine wichtige Infrastrukturfrage: Wie organisieren wir, dass bei uns TV möglich ist?

Mal die Rahmendaten:
  • teilweise sehen drei Leute gleichzeitig in verschiedenen Räumen fern (hey, ich hab zwei jugendliche Kinder und ein Au Pair).
  • parallel sollen mindestens drei Leute breitbandig im Web unterwegs sein können und beispielsweise MMOG spielen.
  • zwei Telefonleitungen und fünf Nummern sind Pflicht.
Und nun? Wen lasse ich die letzten Meter von der Straßenkante in mein Haus ein Kabel verlegen? Nur die Telekom, so dass ich alles drei über IP mache? Oder nur Kabel Deutschland? Oder beide? Oder doch eine Schüssel aufs Dach?

Gefühlt tendiere ich zu IPTV von der Telekom - aber ich weiß darüber zu wenig und im Telekomladen im AEZ war nur ein Nichtsmerker, der mir mit seiner Privatempirie kam, als ich ihn fragte, was denn passiert, wenn drei Leute parallel verschiedene Sendungen gucken, vor allem mit der Internetverbindung. Und was ich denn an Bandbreite real habe bei uns da draußen.

Meine Überlegungen sind zzt so:
  • Kabel für TV hat den Vorteil, dass ich kein Gerät brauche, das ich zwischen den Fernseher und das Kabel schalte - wenn es noch analoges Kabel gibt. Kann man das noch neu kaufen überhaupt? Und dann fallen neben den Installationskosten (mehrere hundert Euro) noch monatliche Kosten an. Internet über Kabel klingt ok, aber Telefon irgendwie nicht.
  • Satellit mag ich nicht, ich weiß auch nicht, wie ich das gestalten muss, so dass in jedem Zimmer eine Buchse wäre aber nur ein Receiver? Oder brauche ich überall einen? Und wie schließe ich die an die Schüssel an? Gibt es da Grenzen? Immerhin hat es keine Folgekosten...
  • IPTV finde ich charmant, ich brauche kein Koaxialkabel im Haus, sondern nur LAN-Kabel, die ich ohnehin verlegen will. Aber ich brauche zu jedem Fernseher einen Decoder. Und frisst das dann meine ganze Bandbreite auf? Gibt es da Grenzen? Kann mir das mal einer so erklären, dass ich es verstehe? Wie finde ich raus, ob das überhaupt geht, ob also die Bandbreite, die die Telekom anliefert bei uns, reicht für das, was ich in der Praxis will? Und wie werden die realen Kosten sein?
Irgendwer eine Idee? Oder eine Meinung?

16.9.09

Das Ende des Rechts-Links-Schemas



Meine älteren Jungs fragen mich angesichts der Wahlplakate und ihres Gemeinschaftskundeunterrichts nicht nur, warum ich grün wähle und da sogar Mitglied bin, was ich ihnen erklären kann. Sie fragen mich auch nach den anderen Parteien und wofür die so stehen.

Das versuche ich, so fair wie möglich zu beantworten - merke aber mehr und mehr, dass die alten Muster von links oder rechts, von konservativ oder fortschrittlich, liberal oder wasweißich nicht mehr greifen.

Also habe ich mit zwei wesentlichen Dimensionen gearbeitet, als sich rausstellt, dass meine Aussage, es gäbe zwei liberale (FDP und Grüne) und drei konservative (die anderen drei) Parteien, verwirrend ist - vor allem weil sie der üblichen Darstellung in den Medien widerspricht, obwohl ich sie weiterhin für im Prinzip richtig halte.

Die beiden Dimensionen sind die Achse Freiheit/ Regeln einerseits und die Frage, ob es darum geht, dass jeder selbst klarkommen soll oder die Starken die Schwachen unterstützen sollen. Ich weiß, auch diese Dimensionen bilden es nicht vollständig ab, aber bei aller Vereinfachung finde ich sie überzeugender als die platten recht-links-Schemata der Medien.

Was daran für mich deutlich wird, ist vor allem dieses:

  • es erklärt, warum eine CDU/SPD-Koalition funktioniert und warum ich sie nicht mag.
  • es erklärt, warum eine Ampel oder Schwampel von den beiden freiheitlich orientierten Parteien so wenig gewollt wird.
  • es erklärt, warum dieser Staat so paternalistisch ist, wenn rund 70% der Wähler regelorientierte Parteien wählen...
  • Was denkt ihr? Ich stelle dieses Modell und meine Einordnung der Parteien in dieses Schema hiermit zur Diskussion.

    14.9.09

    Mal nur Männer

    Reiten ist ja so ein Meedchending. Oft jedenfalls. Für Jungs ist das toll: sie sind oft allein unter Frauen. Für mich ist es nett, ich mag Frauen und Mädchen. Aber mal so ein Männerkurs, das hat auch was.

    Gestern hat unser Verband, der IPZV Nord (Islandpferde Zucht- und Sportverein), einen Reitkurs nur für Männer veranstaltet. Großer Spaß, sehr entspannt und latent frauenfeindlich ging es zu. Also ein rundherum gelungener Sonntag auf dem Hof.

    Und weil ich mich habe breitschlagen lassen, was für die Vereinszeitschrift zu schreiben, hab ich auch mal gleich ein kurzes Video gebaut:



    (Musik ist übrigens die Hymne aller Islandpferdereiter Ri∂um Ri∂um von Gabriel Kent und Lars Jacobsen)

    5.9.09

    Keppni 09

    Eines von zwei Turnieren auf dem Hof, wo wir unser Pferd stehen haben. Secundus wird auch noch mitreiten, beim Fahnenrennen und bei der Viergang-Prüfung. Jedenfalls ist es das gesellschaftliche Ereignis bei uns auf dem Hof....

    Ein paar Impressionen:

    4.9.09

    Ich werde nicht taktisch wählen

    Die meisten Bundestagswahlen habe ich im Wahlkreis 23, Hamburg-Wandsbek, gewählt. Und immer den Direktkandidaten der SPD, denn Wandsbek ist einer der zwei Wahlkreise in Hamburg, in denen es meistens knapp zugeht. Bis auf das eine Mal, als Horn, wo wir damals wohnten, zum Wahlkreis Bergedorf gehörte, kannte ich meinen Wahlkreiskandidaten auch persönlich (immerhin war ich ja auch lange in der SPD), was mich manchmal bestärkt hat und einmal nicht abgehalten hat, ihn oder sie zu wählen.

    Dieses Mal werde ich nicht taktisch wählen. Denn Ingo Egloff, den Kandidaten der SPD und Landesvorsitzenden der Partei, kann ich einfach nicht wählen. Es geht nicht. Obwohl ich ihn nicht persönlich kenne. Dabei ist es ja nicht mal die Art, wie er in den absurden Krisen der SPD hier in der Stadt (Stimmenklau, Annen-Abwahl) agiert und agiert hat, auch wenn das allein schon Grund genug wäre. Auch nicht, dass seine ganze Ausstrahlung all das vereint, was ich an Sozialdemokraten nicht mag. Nicht mal, dass ich Mitglied einer anderen Partei bin. Das, was mich wirklich stört und mir schon klar gemacht hat, dass ich ihn nicht wählen werde, bevor ich wusste, wer für uns Grüne hier in Wandsbek antritt, ist wie er den von mir sehr geschätzten (ja, ich weiß, da bin ich einer der wenigen) aktuellen Abgeordneten Ortwin Runde abgesägt verdrängt hat.

    Runde mochte ich schon immer (obwohl er seinen verstorbenen Spitz immer kläffend und ohne Leine ausgeführt hat). Er ist bald wieder quasi mein Nachbar. Er kann nicht reden, ist aber klug (ja, wirklich) und besonnen und steht für eine gute Phase in der ehemaligen SPD-Dauerregierung dieser Stadt, nachdem ich Vorscherau gestürzt hatte.

    Auch nachdem ich bei den Grünen Mitglied wurde, habe ich immer sehr damit gehadert, wie ich es mit den Direktkandidaten halten soll, denn an sich ist es ja nicht richtig, jemanden, den ich am liebsten als Abgeordneten sähe, nicht zu wählen, nur weil ich mit meiner Meinung nicht in der Mehrheit bin. Jetzt hat mir die SPD und ihr Kandidat die Entscheidung erleichtert, und dafür bedanke ich mich recht artig. Und wähle Anjes Tjarks.