23.6.09

Von Piraten und anderen Freibeutern

Ich kann diejenigen verstehen, die mehr als enttäuscht sind, wie sich insbesondere die SPD-Abgeordneten und auch die 15 Grünen, die sich enthalten haben, in der Frage der Einführung von Zensur unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Kinderpornographie verhalten haben. Obwohl ich mit der professionellen Brille des PR-Menschen den Schachzug brillant finde (allerdings nicht sicher bin, ob er vom BKA oder vom Ministerium ausgeheckt wurde), den Zensurwunsch mit dem Kampf gegen Kinderpornographie zu verbrämen, ist dies auch aus meiner Sicht einer der größten Skandale meiner bewusst erlebten politischen Zeit - vielleicht nur noch übertroffen von den seinerzeitigen Petersberger Beschlüssen der SPD unter Engholm.

Ich kann diejenigen verstehen, die sich nun auf die Suche nach einer Alternative machen und die Piratenpartei für sich entdecken.

Ich kann das verstehen und halte es für falsch.

Das hängt mit zwei wesentlichen Punkten zusammen:
  1. Ich bin skeptisch bei monothematischen Parteien. Das Leben und die Themen sind vielfältiger. Die Grundgefahr monothematischer Gruppen zeigt sich bei einem Blick in die Kommunalpolitik, die oft von solchen bunten und heterogenen Gruppen geprägt ist, die über ein Thema - sei es die Umgehungsstraße oder die Müllverbrennungsanlage - in die Gemeinderäte kommen und an allen anderen Themen scheitern oder populistischen Müll produzieren. Ein Thema ist mir zu dünn. Faktisch sind die Piraten meiner Meinung nach unpolitisch.
  2. Ich halte es für falsch, das freiheitliche Lager zu spalten und damit weiter zu schwächen. Es ist schon kompliziert genug, dass es nicht mehr nur rechts und links gibt, sondern quer dazu auch noch gemeinschafts- und freiheitsorientierte Parteien. Dass sich politische Richtungen im zweidimensionalen Feld bewegen und nicht mehr nur an einer Linie (auch wenn das neue Koalitionsoptionen öffnet).
Darum kämpfe ich innerhalb der Grünen um das Thema. Darum kann ich sogar verstehen, falls Sozis in der Partei bleiben oder sie wählen (auch wenn für mich da die Schmerzgrenze erreicht wäre). Das mag mühsam sein, das mag auch nicht überall erfolgreich sein, aber es lohnt sich, wenn es mir wirklich um die Sache geht und nicht nur um das Prizip der weißen Weste. Es ist eine Frage der Reife und der politischen Erwachsenseins, so empfinde ich es.

Was mich unsicher macht, ist, dass ich in den 80ern und frühen 90ern so auch über die Grünen gedacht habe.

3 Kommentare:

  1. Das Frustrierende aber an der ganzen Geschichte ist doch, dass man trotz Petition, trotz SPD-Onlinerat und vielen öffentlichen Diskussionen und Beiträgen, scheinbar nichts erreicht.
    Da wurde gekämpft und alles wurde einfach weggewischt.

    Warum haben sich denn SPD und CDU/CSU überhaupt mit grünen Themen beschäftigt? Genau, das beschäftigt mich in dem Zusammenhang auch.

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  2. Anonym23.6.09

    "Ich bin skeptisch bei monothematischen Parteien"

    So haben die Grünen auch angefangen, selbst die SPD war eine "monothematischen" Partei, vor langer Zeit.
    Mit jedem Tag wächst die Anzahl der Mitglieder in der PPD und mit jedem neuen Mitglied verbreitert sich die Basis.
    Das lässt sich auch schön in den Themen des Forums der Piraten erkennen, welche in letzter Zeit auch über die reinen Internet-Themen hinausgehen. Zugegeben, es hält sich bisher noch in Grenzen.

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  3. "Was mich unsicher macht, ist, dass ich in den 80ern und frühen 90ern so auch über die Grünen gedacht habe."

    Über diesen Punkt bin ich schon hinaus. Die Frage ist, ob die Piraten über den kritischen Punkt hinauskommen, der bei den Grünen damals irgendwo zwischen Jutta Ditfurth (Nervensäge, aber unkaputtbar) und Joschka Fischer ( Pragmatiker der Macht), um nur zwei zu nennen, lag.

    So, wie sie jetzt sind, können die Piraten (Disclaimer: Bin selber einer!) entweder zu einer politisch relevanten gruppe heranwachsen, oder sie können zumindest Katalysator für einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel werden. Ganz spurlos wird das Piratenphänomen wohl nicht mehr bleiben.

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