4.3.09

Neue Väter

Das ist etwas, das mich wirklich beeindruckt. Ja, ich weiß, es wäre toll gewesen, jemanden wie Tarek Al-Wazir, der zu den besten Leuten meiner Generation bei den Grünen gehört, in der Bundespolitik eine Führungsrolle übernehmen zu sehen.
Tarek Al-Wazir wird (...) nicht für den Bundestag kandidieren. (...) Neben bundes- und landespolitischen Erwägungen habe auch die Situation seiner Familie eine wichtige Rolle gespielt. Er habe sich die Frage gestellt, ob seiner Familie nach zwei Landtagswahlen ein dritter Wahlkampf mit anschließendem Umzug in die Hauptstadt zuzumuten sei. Der 38 Jahre alte, in Offenbach lebende Grünen-Politiker hat zwei kleine Kinder, darunter einen acht Monate alten Sohn.
Al-Wazir bleibt in Wiesbaden - FAZ.NET
Schon letztes Jahr hat ein anderer Mann bei den Grünen aus den gleichen Gründen auf einen Karriereschritt verzichtet - Volker Ratzmann, der die Verantwortung für seine Familie übernehmen wollte, seiner Frau den Rücken freihält die Bundestagskandidatur ermöglicht und nicht für den Bundesvorsitz kandidierte:



Ich hatte mich vor gut drei Jahren einmal anders entschieden und einen Arbeitsort gewählt, der nicht der ist, an dem mein Lebensmittelpunkt und der Lebensmittelpunkt meiner Familie ist. Das würde ich mir künftig sehr gut überlegen, auch wenn ich Familien kenne, bei denen das gut klappt.

In jedem Fall aber zeigen Tarek und Volker, dass es geht: Dass selbst ein Mann neue Schwerpunkte setzen kann. Beide sind, ebenso wie ich und wie viele andere Väter, die ich kenne, beruflich trotzdem intensiv und familienunfreundlich eingespannt. Aber für all dies gibt es eine Grenze, die beide gezogen haben. Und die wir alle, die wir auch Väter sein wollen, die ihre Kinder und Frauen hin und wieder nicht nur sehen, sondern sogar an ihrem Leben teilhaben wollen, fast jeden Tag neu finden müssen. So wie Mütter ja auch.

Aber anders als in der Generation unserer Väter, in der es diejenigen, die Karriere machten, eben machten und dann weitgehend nicht da waren oder Mitbringsel aus Moskau, Madrid oder London ablieferten, habe ich auch das Bedürfnis, da zu sein, wenn ich gebraucht werde. So wie ich das Bedürfnis habe, im Beruf da zu sein, wenn ich gebraucht werde.

Dieses Austarieren führt bei vielen, auch bei mir manchmal, zu einer neuen Form von Stress, die mit Zielkonflikten zu tun hat, denke ich. Aber Rollenvorbilder wie eben Tarek oder Volker (gibt es solche Vorbilder eigentlich auch in "der Wirtschaft"? Lars Hinrichs und Stephan Uhrenbacher haben zumindest andere Begründungen gewählt) können uns Vätern helfen, unsere eigenen Grenzen zu finden, zu ziehen und zu verteidigen. Und hin und wieder auch zurück zu stecken. Beispielsweise eben nicht für ein weiteres Ehrenamt zu kandidieren oder so (das ist zurzeit eine meiner Lösungen).

Niemand hat behauptet, dass das leicht sei. So wie es für Mütter nie leicht war, die diese Erfahrung schon seit einer Generation machen. Aber zurzeit sind wir Enddreißiger halt die erste Generation der "Neuen Väter", zumindest einige von uns. Und das ist irgendwie auch gut so.

1 Kommentar:

  1. Anonym5.3.09

    Genau mein Thema und darum MUSS ich natürlich kommentieren. Diesen Stress, Beruf und Familie gerecht zu werden und dabei nicht nur den klassischen Vorstellungen des arbeitenden Vaters zu entsprechen, kenne ich bestens. Meine Entscheidung vor mittlereile fast 6 Jahren nur noch 3/4 der üblichen 40 Stunden zu arbeiten habe ich in der ganzen Zeit weder bereut noch wirklich ernsthaft in Frage gestellt. Auch weil ich (grade von Frauen aber auch von manchen Männern) viel Zuspruch bekommen habe.
    Jetzt habe ich in diesen 6 Jahren trotzdem eine Art Karriere gemacht und es läßt sich immer weniger vermeiden, dass der Beruf ins Private einbricht. Was ich dabei besonders anstrengend finde ist tatsächlich, dass es kaum Rollenvorbilder gibt. Meine Eltern hatten ein ganz klassisches Model, er arbeitet (viel, sehr viel) sie kümmert sich um Haus und Kinder. Das Ergebnis, sich nach 27 Jahren Ehe scheiden zu lassen, weil man zu verschiedene Leben führt und die dann lieber mit jemand anderem verbringt, hat mich nicht wirklich vom Modell überzeugt. Die Eltern meiner Frau haben als Lehrer und verbeamtete Bibliothekarin zwar ein ähnliches Modell wie das meiner Frau und mir gehabt, allerdings mussten die zwei im Gegensatz zu uns nie Miete bezahlen und die Jobs sind mit den unsrigen auch nicht vergleichbar...
    Bei keinem Thema in meinem Leben habe ich so sehr das Gefühl, einen eigenen Weg zu gehen, einen eigenen Pfad zu trampeln.
    Mein Job, meine Projekte, meine Kunden sind mir wichtig. Aber meine Familie hat für mich eben den gleichen Stellenwert wie das bei meiner Frau der Fall ist. Wenn die Kinder krank sind, wechseln wir uns ab mit dem zu Hause bleiben, mit den Arztbesuchen. Sie ist im Kindergarten aktiver, ich in der Schule. Dafür engagiere ich mich nicht wie ich gerne würde auch politisch, ich schaue praktisch kein Fern, ich schlafe selten mehr als 6-7 Stunden (auch am Wochenende). Ich bin verplanter als viele andere Väter und verlasse das Büro pünktlich, um im Gegensatz zu vielen anderen Vätern mit der Familie zu Abend zu essen. Mein Blackberry ist an, mein Handy auch, ich bin für Kollegen und Kunden auch auf dem Spielplatz erreichbar, sagen denen aber auch, dass ich grade genau dort bin. Nur so kann man Verständnis für neue Familien- und Arbeitsmodelle und die damit verbundene Priorisierung schaffen. Das alles aber ist es wert. Jeden Tag. Ich genieße es ein "neuer Vater" zu sein und ich binde mein Familienmodell jedem auf die Nase der nicht bei Drei auf dem Baum ist. Aber es ist nicht leicht, mit diesem Modell und in ermangelung von Vorbildern Beziehung zu gestalten ohne die Rollen permanent in Frage zu stellen. Ist es männlich, wenn ich in der Familie zuständig bin fürs kochen, bügeln und besser bin im Knöpfe annähen, oder sollte das einfach nur egal sein?

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