10.6.08

Ich mag keine Nationalflaggen

Ich wollte eigentlich heute etwas dazu schreiben, wie wenig ich dieses allüberall um sich greifenden Beflagge mag. Wie wenig trennscharf ich es finde, wenn im Slum unseres Stadtteils auf einmal die Glatzen und andere Rechte mit über und über beflaggten Autos und lauter martialischer Deutschmusik durch die Straßen fahren (von den umliegenden Dörfern mal ganz zu schweigen). Aber dann las ich diesen Beitrag von Hans-Christian Ströbele. Wer hätte gedacht, dass er mir mal so fast vollständig aus der Seele sprechen würde:
Im Laufe der WM habe ich durchaus zur Kenntnis genommen, dass das Schwenken des Deutschlandfähnchens nicht immer Ausdruck nationaler oder gar nationalistischer Gefühle war. Es war ein Begeisterungstaumel. Trotzdem habe ich mich an die Fähnchen nicht wirklich gewöhnt, das ungute Gefühl blieb. Aber als immer mehr sich die Farben der Flagge ins Gesicht malten oder schwarz-rot-goldene Bikinis trugen, war das der Bruch mit dem Nationalsymbol. Das gefiel mir dann schon wieder. Mit Würstchen oder Kuchen in diesen Farben wurde jeder Rest von Weihevollem aufgegessen. Trotzdem, die deutsche Flagge blieb auch Symbol – und kann unheimlich wirken, wenn sie zehntausendfach geschwenkt wird. Ich weiß, in anderen Ländern ist die Nationalflagge fast in jedem Vorgarten. Da kommt bei mir auch keine Begeisterung auf. Aber Fahnen und Farben sehe ich in Deutschland noch weniger gern. Nationale Töne, nationale Begeisterung empfinde ich bei uns noch lange nicht als normal.

Ströbele: "Ich hänge mir trotzdem kein Fähnchen ans Fahrrad!"
Nein, auch mir kommt eine Nationalflagge weder ins Haus noch ans Auto, Fahrrad oder irgendwo anders hin. Ich kann es ertragen, dass andere so besoffen oder so begeistert sind, mir liegt das nicht. Vielleicht weil ich mich mehr als Europäer denn als Deutscher fühle? Vielleicht, weil mir Nationalismus (und auch das empfinde ich als eine Form davon) zuwieder ist? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich heute auch noch das machen würde, was meine Eltern in den 70ern taten: Die Flaggen von den Ärmeln ihrer Parkas abtrennen...

11 Kommentare:

  1. Ich finde das auch sehr schwierig. Vor Jahren war ich mal bei einem Eishockey-Nationalspiel in Hannover, da wurde auch gemeinsam "Deutschland, Deutschland" gegrölt, da wurde mir ganz anders. Und dann diese unsäglichen "Sieg, Sieg" Rufe.
    Das muss nichts Negatives sein, ich vermute erst die Generation unserer Kinder kann da befreiter mit umgehen.

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  2. Geht mir genauso. Ich mag das auch nicht so. Aber das geht mir nicht nur mit der deutschen Flagge so. Mein Lebensgefährte ich Portugiese und wir haben weder eine deutsche noch eine portugiesische Fahne am Auto. Aber ich habe kein Problem damit, für die deutsche Mannschaft (oder irgendeine andere Mannschaft) zu gröhlen. :-)

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  3. Anonym10.6.08

    Danke. Ich bin froh, dass es auch noch jemand anderem so geht.

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  4. Danke euch für eure Kommentare - und auch danke denen, die per Mail oder IM oder d-twitter geantwortet haben. Es ist am Ende ja auch nur eine Minderheit, die deutschbesoffen und fahnenschwenkend durch die Straßen fährt und rennt. Aber die ist halt sehr sichtbar...

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  5. Ob es eine Minderheit ist, mag ich langsam bezweifeln. Es ist mittlerweile eine Massenbewegung.

    Diese Woche war ich mit meiner Mum einkaufen und sie sah so ne Fenster-Flagge. Und sie wollte ein. Mein Kommentar: "Kannst Dir gerne ans Auto machen, aber dann schraub ich Dir die Reifen ab und Du kannst schauen, wie Du aus der Garage raus kommst!" Ich erhielt Zustimmung aus der Schlange an der Kasse :-)

    Offensichtlich sind die Dinger fürs Auto nicht mehr so gut, wie vor zwei Jahren. So viele wie bisher hier am Straßenrand zu finden waren, so viele waren es zur WM in den ganzen Wochen nicht...

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  6. Anonym11.6.08

    Ich kann dem Beitrag nur Zustimmen und auf den Post beim Clap-Club verweisen: http://999blogs.de/clap-club/?p=851

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  7. Anonym11.6.08

    Was die ambivalenten Gefühle bei der Beflaggung angeht, geht es mir genauso.
    Aber soll ich deswegen meinem 14jährigen Sohn, der sich von seinem Taschengeld - und ganz stolz - eine Deutschlandflagge gekauft hat, diese Art von Begeisterung verbieten ? Nein, da beibt mir auch in meinem Haus nur unser familiäres Multikulti.

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  8. Anonym12.6.08

    Habe eh die meiste Zeit Deutschlandfahnen im Haus, eine hier im Zimmer hängen. Jede Nation geht so mit ihrem Land um, warum nicht wir? Dieser Gedanke, dass die eigenen Farben irgendwie negative Gedanken mitbringen, gibt sich mir gar nicht. Es ist einfach großartig, wie zur WM und jetzt zur EM die Leute Farbe bekennen.

    Dass einige Glatzen jetzt dieses Gefühl ausnutzen, ist leider nicht zu verhindern.

    Dennoch, warum sollten wir nicht auch unsere Fahne zu Nicht-Turnier-Zeiten hängen haben? Machen doch andere Nationen genauso.

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  9. Anonym27.6.08

    Es kommt auf das Umfeld an, wenn in meinem Dönerladen eine Türkei und Deutschlandflagge nebeneinander hängen finde ich das besser, als wenn die Kneipe um die Ecke ganz groß nur eine Deutschlandfalleg raushängt. Als zur WM wirklich _viele_ Nationen _viele_ verschiedene Flaggen schwenkten, dann fand ich das gut, weil bunt. Wenn nur Schwarz-Rot-Gold zu sehen ist, dann mag ich das nicht. Eine Deutschlandflagge alleine ist abartig, im Zusammenspiel mit Flaggen anderer Länder find ich sie ganz nett. (Komischerweise ist das bei Flaggen anderer Länder nicht ganz so.) Und es geht mir hier nicht um das Prinzip, sondern da habe ich ähnlich wie der Herr Ströbele so ein ungutes Gefühl im Magen.

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  10. Anonym31.7.08

    Ich verstehe echt nicht was die meisten Deutschen für ein Problem haben mit ihrer Fahne.

    Also erstens finde ich es schön wenn Fahnen im Wind wehen (egal welche) und zweites sehe ich die deutsche Fahne gerne. Was nicht heißt, dass ich ein Problem mit Flaggen anderer Nationen habe. Ich sehe die Schwarz-Rot-Goldene Flagge deswegen gerne, weil ich einfach gewisse gute Gefühle damit verbinde. Wie z.B. das ich ein Leben in Frieden und Freiheit leben darf. Das ich in die Schule gehen und studieren dürfte. Unseren Wohlstand. Und warum darf man darauf nicht stolz sein? Auf etwas stolz sein heißt ja nicht, dass ich alle anderen gleich verachte.

    Ich frage mich wie kann man ein anderes Land respektieren, wenn man sich für sein eigenes so schähmt?

    Bitte versteht mich nicht falsch, niemand muss sich einen Fahnenmaster in den Vorgarten stellen. Die Fenster und sein Auto beflaggen. Aber ich möchte im Gegenzug mich aber nicht immer rechtfertigen müssen, wenn ich eine Deutschlandfahne aufhänge. Auch habe ich es satt als Nationalist angesehen zu werden. (Anscheinend ein typsiches 68er-Verhalten)

    Eigentlich müsste der braunen Meute schwarz-rot-gold doch total zu wider sein. Symbolisiert sie doch ein friedlichen und demokratischen Neubeginn nach dem braunen Spuk.

    Gruß
    Andreas

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  11. Anonym22.8.08

    Schön dass es anderen auch so gegangen ist. Ströbele hat recht...

    Ich fand die ganze Flaggenparaden an Autos und Häusern auch nicht besonders toll.

    Ich selbst hatte auch keine Flaggen.

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