25.5.05

Sterben einer Epoche

Erst gestern auf dem Rückweg erfuhr ich aus der Zeit, dass schon letzten Freitag Paul Ricoeur gestorben war. Ein weiterer Großphilosoph des letzten Jahrhunderts ist tot, vielleicht des letzte seiner Epoche. Einer jedenfalls, zu dem ich immer recht leicht Zugang gefunden habe. Vielleicht, weil er einen ethischen Ansatz hatte?

Jedenfalls war Ricoeur einer der sehr, sehr spannenden Denker Europas - auch wenn er die meisten seiner wichtigen Werke in den USA verfasst hat (was ja nicht untypisch ist), nachdem er von den Modephilosophien verdrängt oder vertrieben worden war. Irgendwie gehört er zu den Phänomenologen, recht deutlich in die Heidegger-Nachfolge, auch wenn er sehr über ihn hinaus geht und eine ethische Klarheit gewann, die Heidegger und die meisten seiner deutschen Epigonen nicht hatten (weshalb sie für radikalkonservative und später auch faschistische Konzepte anfällig wurden oder ihnen erlagen). Ricoeurs Betonung der Sprache und des Sprechens zusammen mit dem ethischen Ansatz des Anderen, der uns Aufgabe und Anruf ist und unser Selbst wesentlich konstituiert (was in Deutschland manchmal falsch und billig mit Altruismus verwechselt worden ist), haben mein theologischen und ethisches Denken und Arbeiten geprägt.

Was mich an Ricoeur, dem Protestanten, und dann vor allem an Emanuel Levinas, dem Juden, fasziniert hat und fasziniert, ist zum einen die ruhige und tiefe Religiosität, die nie thetisch daher kommt; und zum anderen, dass ihr Denken und auch Handeln quer zu klassischen politischen Entwürfen lag. Manche haben sie des Konservatismus geziehen. Mir scheint, dass eine solche Schublade ihnen selbst in der revolutionären Zeit um 1970 nicht gerecht wurde.

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