27.9.04

die Staatliche

Komisch, aber die Brüder rufen immer entweder an, wenn Chaos ist, weil die Jungs von der Schule kommen und das Essen auf dem Tisch steht, oder wenn Chaos ist, weil sie gerade alle mit mehr oder weniger sanfter Gewalt in die Horizontale gebracht werden müssen, damit sie am nächsten Morgen nicht mit zu viel Gewalt wieder wach zu bekommen sind. Jedenfalls rufen immer dann diese Kerle an, die unglaublich schlechte Schulungen hinter sich haben.

Ein besonders schönes Exemplar war der vielleicht 25jährige von der Staatlichen. Die kennen Sie nicht? Ich auch nicht.

Er (völlig aufgekratzt): Hallo, ich bin [hier kam so ein Name, der in amerikanischen Filmen wohl Kimberly oder so wäre] und ruf von der Staatlichen an. Ich wollte nur mal nachfragen, ob die Lose schon angekommen sind und ob ich die richtige Adresse habe.
Ich (noch beinahe ruhig. Man ist ja freundlich und gut erzogen): Wir ham keine Lose bestellt und wolln auch keine.
Er (immer noch völlig aufgekratzt): Aber ich bin doch von der Staatlichen, Sie wissen schon. Und es geht um die Lose. Ich wollte nur kurz prüfen, ob ich Ihre Adresse hier richtig habe.
Ich (immer noch beinahe ruhig. Wird aber schwerer): Nein.
Er (nach einer kurzen Pause, irgendwie immer noch völlig aufgekratzt. Sehr seltsam): Sie wissen doch, ich bin von der Staatlichen, das wäre doch sehr schade, wenn Ihre Lose nicht ankommen. Deshalb will ich nur kurz die Adresse klären.
Ich (schon etwas weniger ruhig. Merkt er aber nicht): Hören Sie, wir wolln kein Los und es passt jetzt gar nicht.
Er (wieder etwas aufgekratzter): Ich hab hier Dingsbumsalleeweg 123 in Hamburg. Ist das richtig?
Ich (beinahe erleichtert, denn er kann ja nicht wissen, dass wir umgezogen sind): Nein, das stimmt nicht.
Er (etwas zögernder): Oh. Das ist ja schade, jetzt habe ich die Lose schon rausgeschickt. Wie ist es denn richtig?
Ich (diesmal ganz ruhig): Das sag ich Ihnen nicht.
Er (völlig aufgekratzt und beinahe hysterisch): Aber ich bin doch von der Staatlichen. Sie wissen doch, die Lose. Also das wäre doch wirklich schade...

Nicht wirklich schade war, dass ich den Rest des Gesprächs nicht mehr mitbekam. Und er auch nicht, weil ich es vorzog, aufzulegen. In solchen Situationen bin ich mir sicher, dass ich ein guter Verkäufer bin. Fühle mich nur etwas fremdgeschämt.

24.9.04

PR-Agenturen und Blogs

Klaus Eck weist darauf hin, dass PR-Agenturen Blogs noch nicht im Blick haben. Da hat er Recht. Ich teile nur nicht seinen Optimismus, dass das absehbar anders werde - was mir bei Vorträgen auch und gerade vor PR-Profis beim Thema RSS und Blogs an staunenden Blicken begegnet, spricht eine andere Sprache. Und solange im ja leider allzu oft sehr bescheidenen PR-Guide, wie Ende Juni berichtet, so wirklich unterirdische Artikel erscheinen wie jener von Zerfaß, den auch der deutlich bessere und von Eck verlinkte aktuelle Beitrag von Thomas Pleil wieder in der Literaturliste hat - so lange bin ich nicht bange, dass dieses Thema eines ist, das den spitz positionierten Fachleuten noch sehr, sehr viel Raum im PR-Becken lässt.

Aber gibt es für so eine intelligente und behutsame PR-Dienstleistung in Richtung Blogs überhaupt bereits einen Markt?

Kopf hoch

Heute im sonst vorsichtig ausgedrückt eher flauen newsletter der EKD ein schöner Gedanke von Hilde Domin:

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten

Blogs als Social Software?

Thomas N. Burg schreibt noch im Entwurfstadium über die mögliche Bedeutung von Blogs im Rahmen von Social Software. Spannend vor allem die Herleitung der Californian Ideology des Silicon Valley. Vieles von dem, was er schreibt, leuchtet ein - und deckt sich mit meinen Erfahrungen unter Open Source-Evangelisten.

Schon länger (und sehr viel länger als das von Burg für den Begriff Social Software postulierte eine Jahr) ist ja das Thema Freie Software und Demokratie eines, das bearbeitet wird - wenn ich dem zuhöre, was mein Freund Kalle Dalheimer erzählt und erzählt hat. Auch und gerade die gesellschaftlichen Implikationen beispielsweise von verteilter Entwicklung und von allmendeartigen Besitzverhältnissen sind ja seit Jahren diskutiert.
Blogs sind da nur ein weiteres Puzzleteil, vielleicht insofern wichtig, als es auch für Menschen wie mich, die mit Software nur als Juser umgehen (wenn man mal von dem bisschen html-Gestoppel absieht), faktisch verfügbar ist.

Dennoch sehr lesenswert!

via Schockwellenreiter

23.9.04

Man nehme

Man nehme zwei Worte mit hoher Aufmerksamkeitsattraktion (Bloggen, Alzheimer), stelle einen an sich eher banalen Artikel bei Spiegel Online rein und fertig ist eine weitere Seite, auf die laufe. OK, fein, da bin ich ja froh, dass ich wenigstens einen winzig kleinen Risikofaktor an der wahrscheinlich familiär bedingt unausweichlichen Disposition positiv beeinflusse.

Ich werfe niemandem vor, dass er oder sie einfach so darüber was dahin sagt. Wer es nicht bei recht jungen Leuten (unter Mitte Fünfzig) erlebt oder selbst durchleidet, hat einfach keinen Zugang zu dem Grauen, das diese Krankheit mit sich bringt. Ich werde jedenfalls immer noch depressiv, wenn ich, magisch angezogen, einen weiteren nichts sagenden Artikel drüber lese - und dennoch wahrscheinlich nie ganz fassen werde, was da mit meiner Mutter passiert ist und weiter passiert. Nur die Drohung bleibt. Für meine Schwester noch mehr als für mich.

Link auf den Artikel via Moving Target

Schnauze

Schnauze halten ist ja Sache der Bild ohnehin nicht. Hübsch aber die Gegenüberstellung im BILDblog von zweien, die die Schnauze recht voll nehmen.

Auch gut, dass die Sache mit Bilds Nazi-Eklat im ZDF-Studio, das ja im Übrigen ein ARD-Studio war, aufgeklärt wurde. Ich hatte mich schon gewundert, dass meine Tageszeitung, wiewohl leider auch von Springer, gar nichts dazu berichtet hatte...

Jugendkultur

Wieder einmal ist es der Zeit vorbehalten, sich dem Thema faschistischer Wahlerfolge substanziell anzunähern. Denn diese banale und falsche Reduktion auf der Thema Protest ist allzu billig, um zu stimmen - und allzu gefährlich, weil sie die - Achtung, These! - kulturelle Hegemonie der Rechten unter Jugendlichen ignoriert oder bewusst ausblendet oder verschweigt.

Das wiederum wundert mich. Denn sowohl in linken Kreisen der SPD als auch in allen anderen Diskussionen, in denen ich in den späten 80ern und den 90ern war, ist sehr genau beobachtet worden, dass die Faschisten anders als die bürgerlichen Rechten sehr wohl ihren Gramschi gelesen hatten: Damals bereits zeichnete sich ab, dass sie einen langen Atem haben und langfristig auf eben diese Hegemonie hinarbeiten. Dass sie nun, nach rund 20 Jahren, nur wenige Schritte vor diesem Durchbruch stehen (zumindest im Osten, aber auch in Teilen der ländlichen Provinz im Westen), ist dann ärgerlich, gefährlich - aber bestimmt nicht überraschend.

Also: Toralf Staud schreibt in der aktuellen Zeit über die braune Jugendkultur - und darüber, wie weit sie wirklich sind. Deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen und denen vieler anderer langjähriger Beobachter. In manchen Landstrichen ist es sogar noch extremer.

22.9.04

Garantie

Es sind oft Kleinigkeiten, für die ich mich begeistern kann:
* Bentleys Idee, ein Köfferchen mit Pflegeset dem Auto beizugeben.
* dass wir in unserem Lieblingshotel immer einen besonderen Service und oft einen besonderen Preis genießen dürfen.
* wenn unser Küchenhändler auch zum dritten Mal kommt, um die Fronten und andere Kleinigkeiten auszurichten. Und es immer freundliche, kompetente, ruhige, zuverlässige ältere Herren sind, weil der eine so niedrige Fluktuation hat und sich seine Leute bei ihm wohlfühlen.

Oder so wie jetzt. Da haben wir uns ja endlich mal was von Bang & Olufsen geleistet. Und dann haben die eine ganz tolle Art, wie die das leidige Thema Garantie lösen: Wir können mit dem Gerät in jeden B&O-Laden weltweit gehen und dort alles klären. Die Nummer der Geräte ist mit unserem namen verknüpft. Die wissen also wer wir sind und wann wir es gekauft haben und so. Kein Gehüser mit Kassenzetteln oder Unterlagen. Einfach. Elegant. Ein weiterer Grund, so was zu haben.

wahr

In einem Artikel über den britischen Sportwagenhersteller TVR schreibt Till Schauen in der letzten brand eins - beziehungsweise brand fünfzig -:

Die gute Laune des Pressechefs hat nichts von der federnden Aufgeräumtheit eines PR-Profis, sondern von einem genuinen Wohlgefühl.

Wunderbar beobachtet. Das Federn.

17.9.04

Zitate

Soll ich oder soll ich nicht? Ist die Diskussion, die zur Stunde in der Blogbar immer noch plätschert, nicht schon weit genug weg von jeder Sache?

Dankenswerterweise hat Huflaikan mal wieder etwas tiefer geschürft und dem Unbehagen ob der dünnen Was-ist-ein-Zitat-Argumentation, wie sie auch in der FR kultiviert wird einen nachvollziehbaren Grund gegeben. Darauf hinzuweisen leitet dann aber auch wirklich das weitere Schweigen ein...

Lesen!

Zielgruppe

Auch nett und lässt mein Verkäuferherz sofort höher schlagen: Herr SUB will keine Zielgruppe sein. Er hat ja auch Recht: Die hohe Schule des Verkaufens ist ja gerade, die potentiellen Käufer nicht nach Zielgruppenkriterien anzusprechen, sondern so, dass sie (obwohl dahinter immer schon eine Rasterung steht) wirklich und ehrlich als Person von mir als Person angesprochen werden.

Obwohl: Schon klar, in welches Raster einer gehört, der zu keinem gehören will?

16.9.04

also echt.

Da ist mal mal ein paar Tage nicht so intersiv in Blogdorf unterwegs und schon gibt es eine bigotte und absurde Diskussion. Dabei wäre das merkwürdige Projekt News in Frankfurt ja schon des Berichtens wert. Oder sein Macher: Klaus Madzia jedenfalls leidet ja nicht gerade an mangelndem Selbstbewusstsein. Hübsch ist doch ein Zitat von ihm vom 27.7.2000 - er war noch Chefredakteur des verblichenen Wochenblattes Net-Business -, als er eben dieses Blatt auf einer Diskussionsveranstaltung, für die ich zuständig war, vorstellte mit Wir sind wie Yahoo - nur erfolgreicher. Nun macht er also News, das sogar noch die Welt in ihrer Kompaktausgabe an Niveau unterbieten will. Muss man erst mal schaffen. Hut ab.

Bei der Diskussion aber, ob man da aus Blogs zitieren dürfe - einer der Zitatoren, Moe, hat dazu das Nötige gesagt - habe ich mich spontan an dieses Erlebnis erinnert, das nur eine Woche vorher im Zug von Saalfeld nach Nürnberg stattfand. Warum muss ich nur spontan daran denken??

Als ich mein Handy aus- und mein Powerbook eingeschaltet hatte, raunzte mich eine sonnenbebrillte Frau Mitte Fünfzig an, ob ich da gerade ein Foto von ihr gemacht hätte. Äh, nein, sagte ich. Doch, doch, und das wolle sie nicht, nur damit ich es wisse. Ich: Äh, ich hab nicht mal ne Kamera dabei. Das war voll gelogen, aber jede andere Antwort hätte, so dachte ich, genau dazu geführt, was dann kam und was ich vermeiden wollte. Sie aber sagte, dass sie das genau gesehen hätte und ich solle es ruhig zugeben. Meine mitleidige Frage, ob sie unter Verfolgungswahn leide, konterte sie mit einem überzeugten und nicht mal unfreundlichen Nein. Na, da bin ich ja froh, meinte ich, in der Hoffnung, dass damit genug sei. Sie aber grummelte noch etwas von, sie wolle das nicht und nun wisse ich ja, dass sie keine Fotos wolle. Hab ich mir dann Ohrstöpsel eingesteckt und Chris de Burgh gehört.

Das ist allerdings auch eine der Sachen, die ich am Zugfahren so liebe: Man lernt die schrägsten Leute nicht kennen. Als nach einiger Zeit ein alter Mann nicht durch die sich sonst immer sensorisch öffnende Glastür kam, hatte die Gute immerhin noch die Vermutung, dass er bestimmt was elektrisches bei sich habe. Komisch, dass ich oder meine im Notebook versteckte Kamera diesmal nicht schuld waren.

Immerhin: Im Corso-Interview hatte Don Alphonso längst nicht so eine zickige Stimme wie die da...

14.9.04

Luxus in Berlin

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich Berlin nicht sehr liebe: Laut, extrem dreckig, oft runtergekommen. Berlin ist im Schnitt eine arme Stadt - und dazu zumindest für mich nicht sonderlich inspirierend.

Ich weiß, dass das manche anders sehen. Aber von wenigen Ausnahmen abgesehen scheint mir das ein Mythos zu sein, in dem etwas nachklingen mag, was einmal war. Beispielsweise höre ich von Kennern der Musikindustrie in diesem Land, dass sowohl Universal als auch Sony eigentlich alle kreative Kraft eingebüßt hätten, seit sie aus Hamburg und Köln an die Spree gezogen sind. Nur mal so als Beispiel.

Faszinierend aber ist für mich immer wieder auf der einen Seite mancher Luxus rund um die Friedrichstraße. Heute beispielsweise hab ich im Bentley Continental GT gesessen, der sich angeblich supergut verkauft. Schon ein Geschoss, dennoch elegant. In solchen Fällen kann ich die Kaltmamsell mit ihrer Anglophilie verstehen.

Auf der anderen Seite manche Veranstaltungen: Den Abend habe ich bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises verbracht - immerhin eines der beiden wichtigsten Journalistenpreise indiesem Land. Erstaunliche Rede von Döpfner, in dessen Haus die Veranstaltung zu Gast war, und die ich ihm so gar nicht zugetraut hätte. Er war heute tagsüber in einer Privatvorstellung vom Untergang für Lord Weidenfels und Helmut Kohl gewesen, was ihn sehr beeindruckt hatte. Erster Höhepunkt dann aber Mario Adorf, der sehr launig gelesen hat - überwiegend nicht mal aus seinem Buch, was ein Glück war, sondern unter anderem Mark Twains Abhandlung über die deutsche Sprache.

Die bepreisten Stücke und Kollegen hatten es allesamt verdient, ich freue mich schon darauf, die Essays und Reportagen zu lesen. Nebenbei einen spannenden Buchtipp abgestaubt, denn eine der Preisträgerinnen, Andrea Böhm, hat über ihre Liebe zu und Verzweiflung mit Amerikanern geschrieben.
Schade nur, wenn der einzige Laudator aus dem eigenen Konzern die einzige wirklich peinliche Vorstellung des Abends abliefert. Meine Güte, fühlte ich mich fremdgeschämt...

heute in Berlin

Wasser

Als wir das letzte Mal gebaut hatten, war uns klar, dass wir das nie wieder tun werden. Aber wie es so ist (und genau wie bei Geburtsschmerzen): Man vergisst es über die Jahre oder verklärt es gar. Und so haben wir es dann ja noch einmal gewagt.

Insgesamt: Wunderbar. Aber wenn wiedermal Wasser durch die Decke kommt und der Dachdecker sich am Kopf kratzt, wenn die Scharniere leider gar nicht geeignet sind für die großen, schweren Fenster, die nach außen öffnen (und deshalb nach ein paar Wochen leider völlig kaputt) und wenn wir uns nicht so recht ausmalen wollen, was noch alles sein wird - dann kommen die Erinnerungen.

Es ist ein Doppeltes: Einerseits nervt es und zehrt massiv an der Kraft. Andererseits sagt die Erfahrung, dass es vorbei geht und wir uns schon in wenigen Jahren gar nicht mehr daran erinnern werden...

heute in Berlin

13.9.04

Urologe

Nachdem B neulich an einen Urologen überwiesen wurde, obwohl ich immer dachte, dass das so was wie ein Männerarzt sei, hat mich doch mal genauer interessiert, was denn mit Uro... gemeint sein mag.

Und klar: Uros ist der Harn. Dass Ura der Schwanz ist, soll mich dann eigentlich weder irritieren noch zum Lachen bringen, oder?

12.9.04

wohlig erschöpft

Ein Wochenende ist viel zu kurz für ein intensives Familienseminar. Aber mit einer Mischung aus Erschöpfung und Befriedigung sind wir zurück gefahren. Es ist wirklich etwas Besonderes: Warum auch immer - wieder war es so, dass auf dem Osterberg lauter freundliche und viele faszinierende Menschen waren.

Es ging dieses Mal ums faire Streiten. Hoffentlich bleibt etwas davon. Jedenfalls ist mir so eine Auszeit dort mehr Wert als mancher Urlaub.

8.9.04

Mauer

Also nun bin ich ja doch froh, dass DIE PARTEI noch nicht an der Regierung ist (abgesehen davon, dass ich mich doch sehr frage, was die mit Berlin machen wollen). Denn heute geht es nach Erfurt, diesmal vor deutliche weniger Zuhörern einen Vortrag halten. Ich freu mich auch drauf - das erste Mal, dass ich in der Gegend bin (abgesehen von der einen Kur der Kinder in Bad Kösen, aber das ist ja nicht sooo direkt da). Und Erfurt soll ja wirklich schön sein. Ich bin gespannt. Ein weiterer Vorteil an der "Provinz": Für relativ weniger Geld bekommt man ein sehr gutes Hotel.

Nürnberg und Frankfurt, die auch noch auf dem Speiseplan stehen, reizen mich dagegen nicht; Nürnberg nur eine gute Stunde, Frankfurt zwar mit der Moderation eines spannenden Podiums, aber es ist eben Frankfurt. Brrrr.

Wie schön, dass wir am Wochenende dann mal wieder auf ein Familienseminar auf den Osterberg fahren...

7.9.04

PARTEI

Die Titanic hat eine Partei gegründet, die sich nicht scheut, wirklich und ehrlich populistisch zu sein. Und da sie Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative heißt, ist es schon ok, wenn sie sich DIE PARTEI abkürzt.

Im Programm steht wie üblich viel Blabla. Und wenn man dann glaubt, man müsste dringend aufhören, weiter zu lesen, kommt ein wirklich guter Vorschlag:

Die Neugliederung des Bundesgebietes ist der einzige Fall, in dem das Grundgesetz (Artikel 29) einen Volksentscheid vorsieht. Wir streben die Verringerung der Anzahl der Bundesländer auf maximal acht durch einen solchen Volksentscheid an. Die fünf Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Branden-burg und Mecklenburg-Vorpommern sollen dabei zu einem starken Ost-Bundesland zusammengefaßt werden. Um wirtschaftliche Impulse zu erzeugen, soll dieses neue, starke Bundesland eine Sonderbewirtschaftungszone (SBZ) bilden. Niedrige Steuersätze, flexible arbeitsrechtliche Regelungen und eine entbürokratisierte und gestraffte Verwaltung sollen den Aufschwung vorantreiben.



Diese Sonderbewirtschaftungszone (SBZ) soll auch baulich vom Rest der Bundesrepublik getrennt werden. Auf diese Weise soll unserer modernen, fortschrittlichen und zukunftsweisenden Idee einer solchen Zone Nachdruck verliehen werden.

absurd

Über Kai Pahl stieß ich jetzt erst auf eine Diskussion um diese seichte deutsche Popmusik. Lustig: Nur wenige Tage vorher bin ich erstmals beim Durchblättern auf MTV über ein Video von Virginia Jetzt! gestolpert (Ein ganzer Sommer. Und noch lustiger: Es hat mir sogar gefallen. Aber ich finde ja auch Chris de Burgh gut. Hust).

Sind die Rechts? Ist das Rechts? Also jetzt nicht diese Band im Speziellen - aber die ganze Richtung?

Ja, denke ich. Nicht nur nach den Erfahrungen mit dem jugendlichen Verwandten. Man muss sich nur mal die Kommentare in einer Diskussion bei SUB durchlesen, auf die auch Kai gelinkt hat - in ihrer unbefangenen Naivität (und die sind nur rund zehn Jahre jünger als ich!) und Inhaltsfreiheit sind sie sehr unbehaglich.

Ein paar Zitate:

von SUB:
ich sehe e snicht ein, mich einer politischen Leitidee zu unterstellen, die nur noch vage mit links oder rechts oder gar liberal angegeben werden kann. (Hervorhebung von mir)

von einem D: Das einzige was mich tröstet ist, das eine junge Generation heranwächst die auch andere Betrachtungen ausserhalb der Guido-Knopp-Wir-sind-_komplett_-scheisse Welt findet. (Dass Knopp ausgerechnet so etwas vorgeworfen wird, höre ich zum ersten Mal - ich würde ihm genau das Gegenteil vorwerfen)

von spalanzani: selbst wenn Pop eine Gesinnung formen könnte, wäre eine Gesinnung eine Gesinnung, die führt erst einmal zu gar nichts und also auch zu nichts schlimmem. Die kann man erstmal ertragen und mit dem moralisch aufgeblasenen alarmistischen Texteschreiben (oder gleich dem Knüppelschwingen) erst wieder anfangen, wenn die möglicherweise falsch Gesinnten etwas wirklich falsches tun. (Muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen!)


Nun bin ich ja kein politischer Hitzkopf mehr, gelte in meiner Partei manchen als geradezu rechtsradikal, werde von Kryptomarxisten in Diskussionen als Junkersknecht beschimpft - und doch wird mir bei diesem Tonfall latent Angst und Bange. Wie muss es erst meinen früheren Kampfgenossen gehen?

Eines jedenfalls habe ich damals gelernt - und das gilt imho noch heute und gerade auch für diese neuen Rechten unter den jungen Leuten: Es gibt kein "unpolitisch". Wer sich selbst für unpolitisch hält, spielt immer den Rechten zu. Denn unpolitisch ist rechts.

Ich könnte kotzen.

6.9.04

dliB

Irgendwas läuft verkehrt bei Bild. Nun lese ich sie seit fast fünf Jahren nicht mehr täglich, hatte also etwas den Überblick verloren - und neigte doch dazu, sie dem Grunde nach zu verteidigen. Bin halt ein Boulevard-Mensch und liebe immer noch den Boulevardjournalismus, wenn er denn noch Journalismus ist. Seit einiger Zeit verfolge ich nun etwas ausführlicher das BILDblog, eine Art Watchblog, das regelmäßig Geschichten der Bild nachrecherchiert.

Heute nun im Tagesspiegel ein furioser Artikel über die Bild und ihren Unterhaltungschef von Ulrike Simon, die ich ohnehin immer gerne lese. Das ist es wohl, was die Bild heute von der Bild damals unterscheidet. Röbel war ja sogar noch Chefredakteur, als ich sie täglich las. Muss mich mal umhören, ob wenigstens die Ausbildung noch so gut ist wie damals. Allerdings: wie sollte sie?

Beruhigend aber, dass sie nicht mehr kampagnenfähig ist, wie Kai-Hinrich Renner feststellt. Wird ihm auch nicht noch mehr Freunde bei Springer gemacht haben, wie so oft, wenn er mal wieder Interna rausfindet...

Hut

Dass die Globalisierung ein alter Hut ist und sich in den letzten Jahren nicht wirklich etwas qualitativ, sondern nur quantitativ verändert hat, versuche ich schon lange in aufgeregte Diskussionen einzubringen. Schön, wenn man damit nicht allein dasteht. Und doppelt schön, wenn das von Albrecht Müller kommt. Auf seiner Blog-ähnlichen Seite NachDenkSeiten veröffentlicht er das entsprechende Kapitel seiner Buches: Denkfehler 2: Die Globalisierung ist ein neues Phänomen.

Er beschreibt da ausführlich, was er gleich am Anfang so zusammenfasst:
Wenn ich heute vor dem Hintergrund meiner persönlichen Erfahrungen mit internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die Millionen anderer Deutscher an anderen Orten und in anderen Berufen ganz ähnlich machten wie ich, in den Gesang der Globalisierungsbeschwörer hineinhorche, dann wird mir seltsam zumute. Ein Déjà-vu nach dem anderen.

Selbst wer ihm nicht zustimmt in seinen Schlussfolgerungen (die ich noch nicht kenne übrigens), sollte mindestens dieses Kapitel lesen, um die Debatte wenigstens ein bisschen zu versachlichen.

Ich habs mir nun doch bestellt, da die Ausschnitte, die ich bisher gesehen habe, weit besser sind, als die scheinbare Positionierung als Anti-HartzIV-Kampfschrift vermuten ließe. Hätte mich bei dem klugen Kopf auch gewundert...

Polemik?

Ja, eine Polemik mag ich normalesweise. Wenn sie charmant oder wenigstens ätzend ist. Aber was Susanne Mayer diese Woche in der Zeit unter der Überschrift Solidarität: mangelhaft zum an sich hinreichend strittigen Thema der Privatisierung von Lernen und Schule und Bildung von sich gibt, ist irgendwie nicht mal polemisch, sondern nur beknackt. Also wirklich, is doch so.

Das Problem ist dabei unter anderem, dass der Artikel in den Kernthesen (Frauen, arbeitet gefälligst! Wer sich um seine Kinder kümmert, ist ein Arsch! Wer seinen Kindern neben Wissen auch noch Bildung vermitteln will, ist unsolidarisch!) erwartbar und nach dem, was ich sonst so von ihr gelesen habe, im Grunde wohl auch ernst gemeint ist.

Cui bono?

3.9.04

Feind

Über Pickings.de stieß ich auf einen mehr als spannenden Artikel von Leon de Winter in Cicero. Er beschreibt ein Thema, das ich ahnte, aber nicht so benennen konnte: Das Böse, den Feind, der deshalb ein Feind ist, weil er uns als Feind sieht. de Winter kritisiert in ruhiger Sprache und in der Sache überzeugend (und ich wundere mich sehr über den Kommentar von Robert John für Pickings dazu), wie "wir" kaum in der Lage sind, die Gefahr zu erkennen, weil das Denkmodell Feind nicht mehr existiert - oder wenn dann zusammengeschrumpft ist zu einer, um den ich mich nicht genug bemüht habe.

Ich selbst hatte die ganzen drei Jahre, in denen beispielsweise in Kirchengemeinden immer wieder Veranstaltungen waren nach dem Motto der Islam und was man von dieser tollen und friedlichen Religion wissen sollte - meist von Nicht-Experten durchgeführt - ein schlechtes Gefühl oder vielmehr eines, dass hier etwas ganz gewaltig nicht stimmt.

de Winters Idee ist auch deshalb spannend (und leuchtet mir zunächst ein, muss ich aber noch weiter nachdenken), weil er eben gerade nicht monokausal simplifiziert wie die Vertreter der sozioökonomischen Theorie vom Terror, sondern auch an die Wurzeln der Religion geht.

Weitergedacht schließt dieses Thema an die Überlegungen zu Open Source religion an, die ich von Douglas Rushkoff habe: Erst die Öffnung einer Religion durch die Moderne hin zu Open Source holt sie aus der dunklen Ecke heraus, in der sie sonst immer das Böse als Zwilling hat - durch das armselige Gläubige vs. Ungläubige Schema.

1.9.04

Stramm

Wieder einmal flattert ein Stramm-Gedicht in die Mailbox, dieses Mal sogar aus einem Band, der in meinem Bücherregel steht: DU, Liebesgedichte, scheint vergriffen zu sein übrigens.

Wieder stehe ich also vor einem seiner Texte und könnte heulen, so toll ist er.
Stramm ist einfach großartig. Und wie so viele viel zu früh gestorben - im Krieg.

Erfüllung

Meine Sporen frechzen deine Spitzen
Bläulich kichern die Äderchen fort
In Sicherheit höhnisch
Im
Schimmrigen Weich
Bebige Hügel wiegen Verlangen
Köpfchen rosen empor und steilen Gewähr.
Die Lippe zerfrißt sich!
Golden ringeln Würger hinunter
Und schnüren den Hals zu
Nach meinen Fingern tastet dein Blut
Und siedet den Kampf.
Die Seelen ringen und kollern abseit!
Hoch schlagen die Röcke den Blick auf
Goldhellrot
Rotweichrot
Flamme zischt in das Hirn
Und sticht mir das Schaun aus!
Sinken Sinken
Schweben und Sinken
Schwingen im Sturme
Im Sturm
Im schreikrollen Meer!
Ziegelrot
Über uns segnet der Tod
Säender Tod!

August Stramm (1874-1915)

via Lyrikmail